Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz in der gesetzlichen Krankenversicherung

Bei der gewährenden Staatstätigkeit entscheidet der Gesetzgeber, welche Personen Zuwendungen erhalten sollen. Der Gleichheitssatz verbietet nur die Verteilung von Leistungen nach unsachlichen Gesichtspunkten1.

Zu einer Einschränkung der Kontrolldichte führt hierbei auch, dass es sich bei der Einführung der Genehmigungsfiktion um eine sozialpolitische Entscheidung handelt. Auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts ist wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits, Wirtschafts- und Soziallebens dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Diese unterliegt nur einer eingeschränkten verfassungsrechtlichen Kontrolle2.

Das Bundesverfassungsgericht hat die sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind3. Es hat deshalb nicht zu untersuchen, ob der Normgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat4

Dem Bundesverfassungsgericht obliegt größte Zurückhaltung, dem Gesetzgeber im Bereich darreichender Verwaltung über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen5, vor allem wenn sie aus den Beiträgen der Gemeinschaft der Versicherten finanziert werden6.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. März 2023 – 1 BvR 909/22

  1. vgl. BVerfGE 17, 210 <216> 78, 104 <121> 99, 165 <177 f.> 110, 274 <293> 122, 1 <23>[]
  2. vgl. BVerfGE 77, 84 <106> 81, 156 <205 f.>[]
  3. vgl. BVerfGE 13, 97 <107, 110> 14, 288 <301> 89, 365 <376>[]
  4. vgl. BVerfGE 112, 164 <175> m.w.N.[]
  5. vgl. BVerfGE 60, 16 <42> 78, 104 <121>[]
  6. vgl. BVerfGK 15, 152 <154 f.>[]