Die übergangenen Optionskommunen
Der Bund konnte selbst entscheiden, welche Städte und Landkreise das Jobcenter in eigener Regie – unabhängig von der Bundesagentur für Arbeit – betreiben können. Das Bundesverfassungsgericht beurteilte zwar § 6a Absatz 2 Satz 3 SGB II1 als mit Artikel 28 Absatz 2 GG in Verbindung mit Artikel 70 Absatz 1 GG unvereinbar, soweit er anordnet, dass der Antrag in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder bedarf. Die Vorschrift allerdings gilt für bestehende Zulassungen fort.
Mit Art. 91e GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine umfassende Sonderregelung für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende geschaffen. Er hat unmittelbare Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Optionskommunen begründet und in diesem Rahmen auch eine Finanzkontrolle ermöglicht. Darüber hinaus enthält Art. 91e GG einen umfassenden Gesetzgebungsauftrag zugunsten des Bundes. Er kann das Zulassungsverfahren weitgehend frei ausgestalten. Jedoch fehlt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für eine Regelung, die die interne Willensbildung der Kommunen für einen Zulassungsantrag an eine Zwei-Drittel-Mehrheit bindet. Die entsprechende Vorschrift darf ab sofort nicht mehr angewendet werden; bestehende Zulassungen bleiben jedoch in Kraft.
Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 91e GG sowohl die Art. 83 ff. GG als auch Art. 104a GG.
Art. 91e GG begründet eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Optionskommunen und ermöglicht eine Finanzkontrolle, die sich von der staatlichen Aufsicht wie auch von der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof unterscheidet. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen. Die gesetzliche Ausgestaltung dieser Chance muss willkürfrei erfolgen. Ihre Wahrnehmung fällt in den Schutzbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung. Art. 91e Abs. 3 GG enthält einen umfassenden und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag zugunsten des Bundes. Der Bund verfügt insoweit über die Gesetzgebungskompetenz, die mit der Zulassung als kommunaler Träger zusammenhängenden Rechtsverhältnisse zu regeln. Auf die Art und Weise der internen Willensbildung der Kommunen erstreckt sich seine Regelungskompetenz jedoch nicht.
Die (grund-)gesetzliche Regelung[↑]
Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 („Hartz IV“) wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Arbeitslose zur Grundsicherung für Arbeitssuchende zusammengeführt, um sie als einheitliche Leistung „aus einer Hand“ anbieten zu können. Dies bedingte grundlegende Änderungen in der Organisation der Leistungsverwaltung. So wurden zum einen Arbeitsgemeinschaften gebildet, in denen die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zusammenwirkten. Zum anderen wurden sogenannte Optionskommunen zugelassen, die zusätzlich zu den kommunalen Aufgaben im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende auch sämtliche Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit wahrnehmen und die Leistungen der Grundsicherung somit alleinverantwortlich erbringen.
Mit Urteil vom 20. Dezember 2007 (BVerfGE 119, 331) entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die Pflicht zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften und die Aufgabenwahrnehmung durch diese mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 83 GG unvereinbar sei, da es keine grundgesetzliche Regelung gebe, die diese Form der Mischverwaltung erlaube. In der Folge verständigten sich die politisch Verantwortlichen auf eine Änderung des Grundgesetzes, die das weitere Zusammenwirken der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger sowie die Beibehaltung und Ausweitung des Optionsmodells ermöglichen und eine einheitliche Bundesaufsicht über die Optionskommunen begründen sollte, soweit diese anstelle der Bundesagentur für Arbeit tätig werden. Mit Gesetz vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944) wurde ein neuer Art. 91e in das Grundgesetz eingefügt. Parallel hierzu beschloss der Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112). Durch dieses Gesetz erhielt das SGB II die für das vorliegende Verfahren maßgebliche Fassung.
Bundesweit bewarben sich 77 Gemeinden und Gemeindeverbände um die neu zu verteilenden 41 Plätze als Optionskommunen (25 % von 439 möglichen Aufgabenerbringern, abzüglich der bereits im Jahr 2005 zugelassenen 69 Optionskommunen). Zu ihnen gehörte auch der Beschwerdeführer zu 1., der in der entscheidenden Kreistagssitzung die für die Antragstellung erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln jedoch verfehlte. Die Beschwerdeführer zu 1. bis 15. wurden nicht zugelassen; der Beschwerdeführer zu 16. ist bereits seit dem 1. Januar 2005 zugelassener kommunaler Träger.
Die erhobenen Kommunalverfassungsbeschwerden[↑]
Die von 15 Landkreisen und der Stadt Leverkusen erhobenen Kommunalverfassungsbeschwerden betreffen die rechtliche Stellung der sogenannten Optionskommunen nach der Neuregelung des Jahres 2010.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs – Zweites Buch (SGB II), namentlich gegen
- § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II, soweit dieser das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit in der zuständigen Vertretungskörperschaft für die Stellung eines Antrags auf Zulassung als Optionskommune festlegt,
- § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II, soweit dieser die Anzahl der insgesamt zuzulassenden Optionskommunen auf 25 % der möglichen Aufgabenträger begrenzt,
- § 6b Abs. 3 SGB II, soweit dieser dem Bundesrechnungshof die Finanzkontrolle über die Optionskommunen gestattet, und § 6b Abs. 4 SGB II, soweit dieser dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Prüfbefugnisse gegenüber den Optionskommunen einräumt.
Ein Landkreis rügt, § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II greife in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG) ein. Der Eingriff sei verfassungswidrig, weil der Bund über keine Gesetzgebungszuständigkeit verfüge. Die Kommunen seien nach dem Grundgesetz Teil der Länder; die Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht liege gemäß Art. 70 GG in deren ausschließlicher Zuständigkeit. Zwar sei der Bund zu kommunalrelevanten, nicht jedoch zu kommunalspezifischen Regelungen befugt. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II betreffe nach seinem Gehalt allein die behördeninterne Willensbildung und könne deshalb nicht auf die Kompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) gestützt werden. Art. 91e Abs. 2 GG verschaffe dem Bund insoweit keine Gesetzgebungsbefugnisse.
Ein weiterer Landkreis wendet sich gegen § 6b Abs. 3 und § 6b Abs. 4 SGB II. Diese Vorschriften sähen eine Finanzkontrolle der Kommunen durch den Bundesrechnungshof bzw. Prüfbefugnisse des zuständigen Bundesministeriums vor, obwohl die Aufgaben der Grundsicherung von den Kommunen als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen würden, die Länder die Aufsicht führten und keinerlei Verwaltungsbefugnisse des Bundes bestünden. Die Prüfbefugnisse griffen daher in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ein und seien nicht von Art. 91e Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG gedeckt.
Die anderen Landkreise und Städte legen dar, § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II sei verfassungswidrig, da Art. 91e GG nur ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vorsehe, während die angegriffene Vorschrift die Zahl der neu zuzulassenden Optionskommunen auf 25 % der Aufgabenerbringer beschränke. Dabei handele es sich um einen in den Entschließungsanträgen niedergelegten politischen Kompromiss, den der Gesetzgeber umgesetzt habe, ohne abweichende Erwägungen anzustellen oder ein Regelwerk für eine nachvollziehbare Zulassungsreihenfolge zu normieren. Für den Fall eines Überhangs an Antragstellern müsse der Gesetzgeber zudem ein Verteilungsverfahren normieren, das die Auswahl der besten Antragsteller gewährleiste. Das bislang vorgesehene Verfahren genüge dem Grundsatz der kommunalen Gleichbehandlung nicht.
Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Die Verfassungsbeschwerden sind im Wesentlichen zulässig. Jedoch ist die Jahresfrist nicht eingehalten, soweit sich eine der Verfassungsbeschwerden gegen die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofs richtet. Die maßgebliche Vorschrift (§ 6b Abs. 3 Sozialgesetzbuch – II – SGB II) ist bereits seit 2004 unverändert in Kraft.
Die Verfassungsbeschwerde gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II, der den Antrag auf Zulassung als Optionskommune an eine Zwei-Drittel-Mehrheit im zuständigen kommunalen Gremium bindet, ist begründet. Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet.
Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. Er hat auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12 2007 reagiert, das die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen in gemeinsamen Einrichtungen für verfassungswidrig erklärt hatte. Mit der Neuregelung sollte der im politischen Raum für praktikabel befundene Zustand aufrechterhalten und verfassungsrechtlich abgesichert werden.
Zwar durchbricht Art. 91e Abs. 1 GG das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung, das vom Bundesverfassungsgericht auch mit dem Argument des Demokratieprinzips untermauert worden ist. Denn eine Verflechtung von Verwaltungszuständigkeiten kann dazu führen, dass der Auftrag des Wählers auf Bundes- oder Landesebene durch die Mitwirkung anderer Ebenen relativiert und konterkariert wird. Auch das Rechtsstaatsprinzip verlangt im Interesse des effektiven Rechtsschutzes eine klare Zuordnung von Kompetenzen. Ein absolutes Verbot der Mischverwaltung lässt sich jedoch weder aus dem Demokratie- noch aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten; daher verstößt Art. 91e GG nicht gegen die „Ewigkeitsgarantie“ des Art. 79 Abs. 3 GG.
In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 91e GG die allgemeinen Regelungen über den Vollzug von Bundesgesetzen (Art. 83 ff. GG) und über die Finanzierung von Verwaltungsaufgaben (Art. 104a GG). Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte offenkundig keine Regelung schaffen, die sich möglichst schonend in die allgemeinen Strukturen einfügt, sondern eine umfassende Absicherung der Verwaltungspraxis ermöglichen. Das zeigt auch die Regelung zur Kostentragung (Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG), die zu einer direkten Finanzierung kommunalen Verwaltungshandelns durch den Bund führt.
Art. 91e Abs. 2 GG begründet unmittelbare Verwaltungs- und Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Optionskommunen. Die Gemeinden sind jedoch grundsätzlich den Ländern zugeordnet. Daher durchbricht die Vorschrift, wenn auch nur punktuell, die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus. Art. 91e Abs. 2 GG ermöglicht dem Bund eine effektive Finanzkontrolle, die sich von der staatlichen Aufsicht wie auch von den Befugnissen des Bundesrechnungshofs unterscheidet.
Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen. Wie bereits aus der Formulierung deutlich wird, dass der Bund eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden zulassen „kann“, wird damit kein Anspruch begründet. Eröffnet der Gesetzgeber den Gemeinden und Gemeindeverbänden diese Chance jedoch, so ist er bei deren Ausgestaltung grundsätzlich frei. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot verbietet es allerdings, einzelne Gemeinden oder Gemeindeverbände aufgrund sachlich nicht vertretbarer Differenzierungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen.
Die Wahrnehmung der Chance auf Zulassung als Optionskommune fällt in den Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG). Gemeinden und Gemeindeverbände können sich gegenüber dem Staat auf das interkommunale Gleichbehandlungsgebot berufen und seine Verletzung vor dem Bundesverfassungsgericht rügen.
Art. 91e Abs. 3 GG enthält einen umfassenden und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag zugunsten des Bundes für alle Rechtsverhältnisse, die mit der Zulassung von Optionskommunen verbunden sind.
Die Verfassungsbeschwerde gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist begründet.
Mit der Kommunalverfassungsbeschwerde kann gerügt werden, dass ein Bundesgesetz gegen die Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 GG) verstößt, denn die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ist für das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitbestimmend.
§ 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II bestimmt, dass der Antrag auf Zulassung als Optionskommune einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder in der zuständigen Vertretungskörperschaft bedarf. Die Vorschrift verkürzt damit die Organisationshoheit der Gemeinden und greift dadurch in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ein. Verglichen mit den allgemeinen Regelungen des Kommunalrechts erschwert sie die Willensbildung in den Stadträten und Kreistagen. Im Fall des beschwerdeführenden Landkreises Roth kam eine Realisierung der gesetzlich eröffneten Chance daher schon deshalb nicht in Betracht, weil sich nur 36 von 60 Mitgliedern für den Antrag ausgesprochen hatten.
§ 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II verletzt die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Die interne Willensbildung in den Kommunen und das Zusammenwirken zwischen ihren Organen ist Teil des Kommunalrechts. Wäre dies anders, könnte der Bund in allen Bereichen, in denen er eine Gesetzgebungskompetenz besitzt, auch Vorgaben zur Willensbildung erlassen; die den Ländern zustehende Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht liefe insoweit leer.
Auch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) vermag die angegriffene Regelung nicht zu stützen. Zwar ist der Begriff „öffentliche Fürsorge“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weit auszulegen und erfasst auch organisatorische Vorschriften. Die hier angegriffene Vorschrift regelt jedoch keine organisatorische Frage bei der Erbringung sozialrechtlicher Leistungen, sondern die Art und Weise der Willensbildung in den Kommunen.
Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich auch nicht aus Art. 91e Abs. 3 GG. Auf dieser Grundlage kann der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen für die Zulassung von Optionskommunen regeln, insbesondere deren Anzahl sowie die Zulassungskriterien. Die angegriffene Vorschrift betrifft jedoch nicht die Rechtsverhältnisse zwischen der antragstellenden Kommune und dem Bund oder dem Land, sondern die interne Organisation der Kommunen.
§ 6a Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz SGB II ist für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären. Die Vorschrift gilt für bestehende Zulassungen fort. Allerdings darf sie in neuen Zulassungsverfahren nicht mehr angewandt werden. Würde die Vorschrift für nichtig erklärt, könnten die zugelassenen Optionskommunen ihre Aufgaben ab sofort nicht mehr einheitlich wahrnehmen. Hiervon wären eine hohe Zahl von Leistungsempfängern und die Mitarbeiter der Kommunen betroffen. Ohne die Aufrechterhaltung der Regelung für die Vergangenheit wäre es daher nicht möglich, eine geordnete Sozialverwaltung sicherzustellen.
Gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II, der die Anzahl der Optionskommunen auf höchstens 25 % der zum 31.12 2010 bestehenden Aufgabenträger festlegt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 91e Abs. 3 GG. Inhaltlich geben Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor: Die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen soll danach die Regel sein, die alleinige Aufgabenwahrnehmung durch Optionskommunen die Ausnahme. Dies belegen der Wortlaut des Art. 91e Abs. 2 GG, seine systematische Stellung und seine Entstehungsgeschichte. Im Übrigen verfügt der Gesetzgeber jedoch über einen weiten Gestaltungsspielraum.
Aus dem Wortlaut des Art. 91e Abs. 2 GG lässt sich namentlich keine konkrete Anzahl möglicher Optionskommunen ableiten. Mit der Festlegung auf 25 % hat der Gesetzgeber lediglich die im Rahmen der Verfassungsänderung avisierte Zielgröße übernommen und den politischen Erwartungen der Beteiligten Rechnung getragen. Verfassungsrechtlich verpflichtet war er dazu nicht.
§ 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II bedarf auch keiner verfassungskonformen Auslegung im Lichte von Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist keine Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft, die der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) unterfiele. Es handelt sich vielmehr um eine Aufgabe, die normalerweise bundeseinheitlich von der Bundesagentur für Arbeit wahrgenommen wird. Auch die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeindeverbände (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG), die von vornherein nur nach Maßgabe der Gesetze besteht, wird nicht verletzt. Die Zuweisung einer neuen Aufgabe könnte nur verlangt werden, wenn sonst die Selbstverwaltungsgarantie in ihrem Kern entwertet wäre, was offensichtlich nicht der Fall ist.
Eröffnet der Gesetzgeber den Kommunen die Chance auf eine bestimmte Aufgabenzuständigkeit, so muss er ein Verfahren vorsehen, das eine transparente und nachvollziehbare Verteilungs- und Zulassungsentscheidung sicherstellt. Der Gesetzgeber musste dieses Verfahren in seinen wesentlichen Grundzügen selbst ausgestalten (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG); die Einzelheiten durfte er dem Verordnungsgeber überlassen. § 6a Abs. 3 SGB II ist insoweit eine hinreichende Rechtsgrundlage.
Ob das in der Kommunalträger-Eignungsfeststellungsverordnung (KtEfV) geregelte Verteilungsverfahren selbst den Anforderungen an ein willkürfreies, transparentes und nachvollziehbares Zulassungsverfahren genügt, ob es insbesondere nicht bundesrechtlicher Regelungen über die Verteilung der möglichen Optionskommunen auf die Länderkontingente bedarf, ist hier nicht zu entscheiden. Denn die insoweit möglicherweise unzureichende Verordnung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Schließlich begegnet § 6b Abs. 4 SGB II, der die Finanzkontrolle durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales regelt, keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Vorschrift folgt ebenfalls aus Art. 91e Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 GG. Die damit verbundenen Befugnisse des Bundes unterscheiden sich von denen des Bundesrechnungshofes und beschränken sich auf die fiskalischen Interessen des Bundes. Ihm ist insbesondere gestattet, öffentlichrechtliche Erstattungsansprüche geltend zu machen und im Wege der Verrechnung durchzusetzen. Eine Rechts- oder Fachaufsicht ist damit nicht verbunden; die dem Bund eröffnete Finanzkontrolle richtet sich nicht allgemein auf die Gewährleistung eines einheitlichen Gesetzesvollzugs und erlaubt es daher nicht, vertretbare Rechtsauffassungen des zugelassenen kommunalen Trägers zu beanstanden.
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 7. Oktober 2014 – 2 BvR 164/11
- in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010[↩]