Schulassistenzleistungen für im Ausland lebende Deutsche
Ist der Ausschluss von Schulassistenzleistungen für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland europarechtskonform? Diese Rechtsfrage hat jetzt das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Essen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Dem zugrunde liegt der Fall einer 2009 geborenen Schülerin. Diese ist Deutsche und wohnt in Belgien. Sie leidet aufgrund einer geistigen Behinderung an einer Entwicklungsstörung und besucht eine Gesamtschule in Aachen, wo ihre Mutter arbeitet. Ihren Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form von Schulassistenzleistungen lehnte die beklagte Städteregion Aachen ab. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Sozialgericht Aachen abgewiesen. Mit der Berufung macht die Klägerin die Kostenerstattung für die in der Vergangenheit in Anspruch genommenen Schulassistenzleistungen geltend.
Das Landessozialgericht sieht diese bei isolierter Betrachtung nach nationalem Recht als unbegründet an, da § 101 SGB IX für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland einen Leistungsausschluss für die Eingliederungshilfe enthalte und die dort normierten Ausnahmen im Falle der Klägerin nicht einschlägig seien. Daher komme es entscheidend auf die Auslegung des EU-Rechts an.
Der Gerichtshof der Europäischen Union soll nun im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens1 klären,
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ob es sich bei der Eingliederungshilfe in Gestalt der Schulassistenzleistung um eine „Leistung bei Krankheit“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 handelt;
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ob der Leistungsausschluss gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 verstößt, wonach einem Arbeitnehmer (und seinen Angehörigen) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats die gleichen sozialen Vergünstigungen wie den inländischen Arbeitnehmern zukommen müssen;
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ob der Leistungsausschluss eine sachlich nicht gerechtfertigte Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit gemäß Art. 20, 21 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstellt.
Wenn der Unionsgerichtshof eine dieser Fragen bejaht, hätte die Berufung aufgrund des Anwendungsvorrangs europarechtlicher Vorschriften nach Einschätzung des Landessozialgerichts Erfolg.
Landessozialgericht Nordrhein -Westfalen, Beschluss vom 8. April 2024 – L 12 SO 87/22
- EuGH – C-257/24[↩]