Ergänzende Arbeitslosenbeihilfe für ehemalige Zeitsoldaten
Ein ehemaliger Soldat auf Zeit hat Anspruch auf ergänzende Zahlungen von Arbeitslosenbeihilfe (§ 86a SVG). Hat der ehemalige Soldat aus seinem Berufsausbildungsverhältnis vor seiner Bundeswehrzeit einen bei (erneuter) Arbeitslosigkeit nach seiner Bundeswehrzeit noch nicht verbrauchten Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, so ist dieser Arbeitslosengeld-Anspruch nach dem im Ausbildungsverhältnis erzielten geringeren Entgelt zu bemessen, nicht dagegen nach dem Entgelt, welches er zuletzt als Zeitsoldat verdient hatte. Der ehemalige Zeitsoldat hat daneben einen Anspruch auf ergänzende Arbeitslosenbeihilfe nach § 86a Soldatenversorgungsgesetz. Diese Arbeitslosenbeihilfe ruht im Hinblick auf das dem ehemaligen Soldaten gewährte Arbeitslosengeld nicht in vollem Umfang, sondern nur in der Höhe, in der dem Arbeitslosen tatsächlich Arbeitslosengeld gezahlt wird.
Nach § 86a Abs 1 S 1 SVG erhalten ehemalige Soldaten auf Zeit, die nach Beendigung einer Wehrdienstzeit von mindestens zwei Jahren arbeitslos sind, Arbeitslosenbeihilfe. Nach § 86a Abs 1 S 2 SVG sind auf die Arbeitslosenbeihilfe die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und sonstiger Gesetze mit Ausnahme des Einkommensteuergesetzes über das Arbeitslosengeld und für die Empfänger dieser Leistung mit folgenden Maßgaben entsprechend anzuwenden:
Für den Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe steht die Wehrdienstzeit als Soldat auf Zeit einschließlich der nach § 40 Abs 5 des Soldatengesetzes eingerechneten Wehrdienstzeiten der Zeit eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich.
Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosenbeihilfe mindert sich um die Zahl von Tagen, die auf den Zeitraum entfallen, für den Übergangsgebührnisse laufend oder in einer Summe gewährt werden. Für Soldaten auf Zeit mit einer Wehrdienstzeit von zwei Jahren wird der Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe auf 180 Tage begrenzt.
Bei der Feststellung des Bemessungsentgelts sind für die Wehrdienstzeit im Sinne der Nr 1 die Dienstbezüge zugrunde zu legen.
Der Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe ruht während des Zeitraums, für den der Arbeitslose die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt oder nur deshalb nicht erfüllt, weil er Arbeitslosengeld nicht beantragt hat.
Dabei ruht er Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe gemäß § 86a Abs 1 S 2 Nr 5 SVG während des Zeitraums, für den der Arbeitslose die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt hat (Alt. 1) oder nur deshalb nicht erfüllt, weil er Arbeitslosengeld nicht beantragt hat (Alt. 2), nur in Höhe des bezogenen Arbeitslosengeld. Da der ehemalige Zeitsoldat im vorliegenden Fall Arbeitslosengeld bezogen hat, ist die erste Alternative dieser Vorschrift einschlägig.
Zwar ist der Bundesagentur für Arbeit zuzugeben, dass es eine allein am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung die Annahme zuließe, dass der Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe während des Bestehens eines Arbeitslosengeld-Anspruch insgesamt ruht, ohne dass es auf die Höhe des Zahlungsanspruchs des Arbeitslosengeld ankäme. Hierfür könnte sprechen, dass es für die Rechtsfolge des Ruhens nach Alt 2 des § 86a Abs 1 S 2 Nr 5 SVG genügt, dass Arbeitslosengeld beantragt werden kann. Danach wäre für das Ruhen der Leistung nicht entscheidend, ob der bestehende oder geltend zu machende Anspruch auf Arbeitslosengeld eine den Lebensstandard der Dienstzeit sichernde Höhe erreicht. Dies wiederum könnte dazu führen, dass bei einem Abstellen allein auf ein Stammrecht die Arbeitslosenbeihilfe auch dann ruhen würde, wenn der Zahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld seinerseits nach §§ 155 f SGB III (früher §§ 142 f SGB III aF) ruht.
Auch die angeordnete Rechtsfolge des „Ruhens“ könnte nach dem Gebrauch dieses Begriffs im SGB III darauf deuten, dass der Zahlungsanspruch auf Arbeitslosenbeihilfe insgesamt und nicht nur in einer das Arbeitslosengeld ergänzenden Höhe nicht zu erfüllen ist1. Ist eine Begrenzung der Höhe der Leistung gewollt, ordnet der Gesetzgeber des SGB III regelmäßig die Anrechnung bestimmter Beträge auf das Arbeitslosengeld an (Minderung des Arbeitslosengeld; vgl zB § 155 SGB III). Allerdings hält der Gesetzgeber diese Begrifflichkeit nicht strikt durch, wenn er zB in § 156 Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB III anordnet, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen „nur bis zur Höhe der zuerkannten Leistung ruht“.
Bei Auslegung des § 86a SVG nach dessen Sinn und Zweck ergibt sich aber, dass der Anspruch ehemaliger Soldaten auf Zeit auf Arbeitslosenbeihilfe während einer sich anschließenden Zeit der Arbeitslosigkeit nur in der Höhe ruht, in der dem Arbeitslosen Arbeitslosengeld gezahlt wird. Die Vorschrift wurde durch Gesetz vom 06.08.19872 in das SVG eingefügt, weil – so die Begründung des Gesetzes – die ehemaligen Soldaten auf Zeit, die nach Dienstzeitende arbeitslos wurden, durch den bis dahin bestehenden Anspruch auf Dienstzeitversorgung nicht ausreichend sozial gesichert waren. Wären sie in einem Beschäftigungsverhältnis als Arbeitnehmer verblieben, hätten sie nach dem SGB III eine Absicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit anknüpfend an den zuletzt erzielten Verdienst gehabt. Dabei wurde im Gesetzgebungsverfahren als Alternative die Möglichkeit erwogen, die Soldaten auf Zeit in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen. Im Hinblick auf das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit wurde diese Überlegung aber verworfen und für diese Personen ein besonderes Sicherungssystem geschaffen3.
Die besondere Schutzbedürftigkeit der Soldaten auf Zeit im Hinblick auf das Risiko der Arbeitslosigkeit wurde für einen zeitnah nach dem Ausscheiden aus dem Dienst liegenden Zeitraum gesehen. Der zeitliche Zusammenhang mit dem Dienst wird dadurch hergestellt, dass vorausgesetzt wird, dass Soldaten auf Zeit für 180 Tage Arbeitslosenbeihilfe erhalten, wenn sie „nach Dienstzeitende“ arbeitslos werden (§ 86a Abs 1 S 2 Nr 1 SVG). Die Gesetzesmaterialien machen weiter deutlich, dass mit der Arbeitslosenbeihilfe eine „Fürsorgeleistung“ geschaffen werden sollte, mit der die ehemaligen Soldaten auf Zeit eine der Sicherung der Arbeitnehmer nach einer Beschäftigung vergleichbare Sicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit erhalten4. Der Leistungsumfang soll dem des Arbeitslosengeld entsprechen5. Deshalb orientiert sich die Höhe der Leistung am Lebensstandard der Wehrdienstzeit (§ 86a Abs 1 S 2 Nr 3 SVG). Durch § 86a Abs 1 S 2 Nr 5 SVG sollte allerdings auch der subsidiäre Charakter der Arbeitslosenbeihilfe klargestellt werden5.
Danach sind die Leistungen der Arbeitslosenversicherung den Versorgungsleistungen des SVG zwar systematisch vorrangig. Dieser Vorrang kann aber nicht gelten, wenn durch die vorrangige Leistung die angestrebte soziale Sicherung der Soldaten auf Zeit bei einer nach dem Dienstzeitende eintretenden Arbeitslosigkeit nicht erreicht wird. So hat der Kläger vorliegend zwar Arbeitslosengeld bezogen, er hat aber infolge der Bemessung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach der früher bezogenen Ausbildungsvergütung keine Leistung erhalten, die ihm (vorübergehend) den Lebensstandard sichert, den er im Dienstverhältnis vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit erreicht hatte.
Weil das vorrangige Arbeitslosengeld die angestrebte soziale Sicherung nicht gewährleistet, ist es nach Sinn und Zweck des § 86a SVG geboten, dem Kläger ergänzend die Arbeitslosenbeihilfe nach § 86a SVG zu gewähren, um ihn während der nach dem Dienstzeitende eingetretenen Arbeitslosigkeit sozial so abzusichern, wie er nach dem Verlust einer entsprechend bezahlten Beschäftigung gesichert wäre. Seine Sicherung muss sich an den Bezügen der Dienstzeit orientieren, weil der Gesetzgeber mit Einführung der Arbeitslosenbeihilfe eine Sicherung gerade auf diesem Niveau angestrebt hat5.
Bei teleologischer Auslegung des § 86a Abs 1 S 2 Nr 5 SVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe deshalb nur in Höhe des bezogenen Arbeitslosengeld.
Da im vorliegenden Fall dem ehemaligen Zeitsoldaten schon einfachrechtlich ein Anspruch auf Arbeitslosenbeihilfe zusteht, kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob ein Ausschluss der Arbeitslosenbeihilfe durch den Bezug von Arbeitslosengeld, solche Zeitsoldaten unter Verletzung von Art 3 Abs 1 GG benachteiligen könnte, deren Dienstbezüge deutlich höher waren als das Bemessungsentgelt des vorrangig zu zahlenden Arbeitslosengeld. Dies erscheint nicht ausgeschlossen. In solchen Fällen erscheint fraglich, ob die Ungleichbehandlung von Zeitsoldaten mit einer an den Dienstbezügen ausgerichteten Versorgung gegenüber den Zeitsoldaten mit Anspruch auf Arbeitslosengeld in deutlich geringerer Höhe als „nicht intensiv“ angesehen werden könnte.
Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014 – B 11 AL 14/13 R




