Gewinnermittlungswahlrechts bei Einkommensteuer- und Kindergeldfestsetzung

Erzielt ein Kind gewerbliche Einkünfte und steht ihm hinsichtlich der Gewinnermittlungsart ein Wahlrecht zwischen dem Betriebsvermögensvergleich und der Einnahme-Überschussrechnung zu, so kann dieses Wahlrecht auch bei der für die Kindergeldfestsetzung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 notwendigen Ermittlung der Einkünfte des Kindes nur vom Kind und nicht vom Kindergeldberechtigten ausgeübt werden. Hat das Kind das Gewinnermittlungswahlrecht wirksam ausgeübt, so ist die gewählte Gewinnermittlungsart sowohl im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Kind als auch im Rahmen der Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kindergeldberechtigten der Ermittlung der Einkünfte des Kindes zugrunde zu legen.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 EStG in der im Streitzeitraum 2006 geltenden Fassung ist ein Kind, das noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, nur zu berücksichtigen, wenn seine Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag von 7.680 € nicht übersteigen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter dem Begriff der Einkünfte i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechend der Definition in § 2 Abs. 2 EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k EStG) und bei den anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG) zu verstehen. Ebenso ist für die zeitliche Zuordnung der Einkünfte auf den Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG abzustellen. Daher ist das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nur im Rahmen der Überschusseinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzuwenden, lässt nach § 11 Abs. 1 Satz 5 EStG dagegen die für die Gewinneinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG geltenden Sondervorschriften (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) unberührt.

Die Familienkasse hat die Höhe der Einkünfte und Bezüge eines Kindes selbständig und ohne Bindung an den Inhalt eines für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln. Dem für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheid kommt für die Festsetzung des Kindergelds keine Bindungswirkung zu, es handelt sich dabei nicht um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung. Unerheblich ist daher auch, dass die kindergeldberechtigte Mutter mangels Beschwer nicht gegen die Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Sohn vorgehen kann. Da sie durch eine fehlerhafte Einkünfteberechnung der Familienkasse beschwert wäre, stünden ihr insoweit ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.

Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass das steuerpflichtige Kind steuerliche Wahlrechte für Zwecke der Steuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung unterschiedlich ausüben könnte. Da der Einkünftebegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dem des § 2 Abs. 2 EStG entspricht, sind auch die für die einzelnen Einkunftsarten geltenden Einkunftsermittlungsvorschriften zu beachten. Insoweit bestimmen die für die einzelnen Einkunftsarten geltenden Vorschriften des materiellen und formellen Steuerrechts, ob und gegebenenfalls in welcher Art und Weise ein steuerliches Wahlrecht ausgeübt wird. Hat der Steuerpflichtige für Zwecke der Einkommensteuerfestsetzung ein steuerrechtliches Wahlrecht wirksam in bestimmter Weise ausgeübt, ist dies deshalb auch für die Einkünfteberechnung im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG maßgebend.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen Gewerbetreibende, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Trifft sie eine solche Verpflichtung nicht und führen sie keine Bücher und machen sie keine Abschlüsse, können sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Nicht buchführungspflichtige Gewerbetreibende, die auch freiwillig keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, haben danach das Recht, zwischen der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen.

Das Wahlrecht steht nur dem Steuerpflichtigen, d.h. im vorliegenden Fall dem Sohn, zu. Dass die Einkünfte des Kindes über § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG den Kindergeldanspruch der Klägerin beeinflussen, bedeutet nicht, dass einkommensteuerrechtliche Wahlrechte des Kindes im Kindergeldfestsetzungsverfahren vom Kindergeldberechtigten ausgeübt werden können. Die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthält nur eine Anknüpfung an die Definition des Einkünftebegriffs des § 2 Abs. 2 EStG, sie führt indessen nicht dazu, dass hinsichtlich der Person des Steuerpflichtigen das Kind durch den Kindergeldberechtigten ersetzt würde. Folglich kann es auch nicht zu dem von der Klägerin angegriffenen Übergang einer von S freiwillig übernommenen Buchführungspflicht auf die Klägerin kommen.

Diese Auslegung widerspricht nicht dem BFH-Urteil vom 30. September 1980. In diesem Fall ging es um die Frage, ob der Steuerpflichtige eine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen haben kann, wenn er bestreitet, gewerblich tätig geworden zu sein. Diese Frage stellt sich im Streitfall nicht.

Das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entfällt erst mit der Erstellung des Abschlusses, nicht hingegen bereits mit der Einrichtung der Buchführung. Da der Steuerpflichtige den Abschluss erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums erstellt, wird die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten auch erst durch den Abschluss und folglich nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres ausgeübt.

Hat der Steuerpflichtige wirksam die Einnahme-Überschussrechnung als Gewinnermittlungsmethode gewählt, kann er nicht später für das betreffende Wirtschaftsjahr diese Wahl rückgängig machen und die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich wählen.

Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechende Buchführung eingerichtet hat.

Ein Einzelunternehmer hat seine Einnahme-Überschussrechnung bzw. seinen Bestandsvergleich in dem Zeitpunkt erstellt, in dem er sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Als Beweisanzeichen dafür, dass der Einzelunternehmer die fertiggestellte Gewinnermittlung als endgültig ansieht, kann u.a. die Tatsache gewertet werden, dass er sie in den Rechtsverkehr begibt (z.B. Übersendung an das Finanzamt).

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. Dezember 2012 – III R 33/12