Homeoffice – und der explodierte Heizkessel

Ein Unternehmer steht unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz, wenn er im Homeoffice beim Hochdrehen der Heizung durch eine Verpuffung im Heizkessel verletzt wird.

In dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall war der klagende selbständige Busunternehmer bei der beklagten Berufsgenossenschaft pflichtversichert. Er bewohnte ein Haus, dessen Wohnzimmer er als häuslichen Arbeitsplatz (Homeoffice) für Büroarbeiten nutzte. Am Unfalltag holte der Unternehmer gegen 13:00 Uhr seine beiden Kinder von der Schule ab und begab sich anschließend zum Arbeiten an seinen Schreibtisch im Wohnzimmer. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Heizkörper im ganzen Haus kalt waren, begab er sich gegen 13:30 Uhr zur Überprüfung der Kesselanlage in den Heizungskeller, weil er seine betriebliche Tätigkeit bei höheren Zimmertemperaturen fortsetzen wollte. Beim Hochdrehen des Temperaturschalters kam es aufgrund eines Defekts der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel, in deren Folge die Zugluftklappe in der Kaminwand heraussprang und den Unternehmer im Gesicht traf. Dabei erlitt er unter anderem eine schwere Augenverletzung. Die beklagte  Berufsgenossenschaft Verkehr lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls unter anderem ab, weil der Unternehmer die Heizung reguliert habe, um seine Kinder mit Wärme zu versorgen.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Sozialgericht München wies die daraufhin erhobene Klage ab1,  das Bayerische Landessozialgericht wies die Berufung des Unternehmens als unbegründet zurück2. Beide Gerichte lehnten einen Arbeitsunfall ab. Das Hochdrehen des Temperaturschalters habe der Unternehmer zwar mit einer Handlungstendenz ausgeführt, die objektiv dem Geschäftsbetrieb gedient habe. Denn er habe seine betriebliche Tätigkeit bei höheren Temperauren fortsetzen wollen. Daran ändere sich nichts, wenn der Unternehmer die Heizung auch zum Zwecke der Erwärmung der privaten Räume bedient habe. Allerdings fehle es am Ursachenzusammenhang, weil ausschließlich die defekte Heizungsanlage wesentliche Bedingung für die Verpuffung gewesen sei und solche der privaten Wohnung innewohnenden Risiken als eingebrachte Gefahren grundsätzlich nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherte zu verantworten habe.

Dagegen gab das Bundessozialgericht nun dem Unternehmer recht; der Unternehmer war am Unfalltag bei der Beklagten als Unternehmer unfallversichert und hat einen Arbeitsunfall erlitten:

Das unfallbringende Drehen am Temperaturregler seiner Heizung stand in einem sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmers im Homeoffice. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wollte der Unternehmer nicht nur die Privaträume seiner Kinder, sondern auch seinen häuslichen Arbeitsplatz mit höheren Temperaturen versorgen. Die Benutzung des Temperaturreglers war insoweit objektiv unternehmensdienlich und der Heizungsdefekt nicht mehr ein unversichertes Risiko aus dem privaten Lebensbereich.

Die von der Vorinstanz angeführte „eingebrachte Gefahr“ ist kein den Ursachenzusammenhang hinderndes Rechtsprinzip, sondern eine zusammenfassende Bezeichnung für unversicherte Ursachen, die der Wesentlichkeit versicherter Ursachen entgegenstehen. Bei unternehmensdienlichen Verrichtungen sind indes auch im Homeoffice die von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren versichert. Die eingeschränkten Möglichkeiten zur präventiven, sicheren Gestaltung von häuslichen Arbeitsplätzen rechtfertigen keine Einschränkungen des Versicherungsschutzes. Der Versicherungsschutz und damit korrespondierend die Haftungsfreistellung sind auch nicht an eine erfolgreiche Prävention geknüpft.

Bundessozialgericht, Urteil vom 21. März 2024 – B 2 U 14/21 R

  1. SG München, Urteil vom 04.10.2018 – S 33 U 325/17[]
  2. BayLSG, Urteil vom 12.05.2021 – L 3 U 373/18[]