Kein Elterngeld im geschlossenen Strafvollzug

Anspruch auf Elterngeld hat nur, wer mit dem Kind in einem Haushalt lebt. Einer Mutter, die mit ihrem Kind in einer Mutter-Kind-Einrichtung des geschlossenen Strafvollzuges untergebracht ist, steht nach einer aktuellen Entscheidung des Bundessozialgerichts grundsätzlich kein Elterngeld zu.

Denn sie lebt, so die Begründung des Bundessozialgerichts, nicht in einem Haushalt, wie ihn das Bundes­elterngeld- und Elternzeitgesetz verlangt. Ein derartiger Haushalt setzt eine häusliche, wohnungs­mäßige, familienhafte Wirtschaftsführung voraus. Danach ist die Justizvollzugsanstalt als öffentliche Einrichtung kein Haushalt in diesem Sinne.

Eine Mutter hat zusammen mit ihrem Kind innerhalb der Justizvollzugsanstalt auch keinen eigenen Haushalt, wenn die Justizvollzugsanstalt sie selbst voll­ständig und ihr Kind im Rahmen eines vom Jugendamt entrichteten Tagessatzes versorgt. Dass die Mutter über gewisse Mittel (Kindergeld, Arbeitseinkünfte) in einem bestimmten Rahmen selbst verfügen kann, reicht zur Begründung eines eigenen Haushalts nicht aus.

Der Anspruch auf Elterngeld richtet sich nach den am 1.01.2007 in Kraft getretenen Vorschriften des BEEG vom 05.12.20061. § 1 Abs 1 BEEG sieht vor, dass Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Hauhalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4).

Regelungen zum Bezugszeitraum von Elterngeld enthält § 4 BEEG. Nach dessen Abs 1 Satz 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs 2 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate gezahlt (sog Lebensmonatsprinzip)2. Nach § 4 Abs 2 Satz 2 BEEG haben Eltern (also beide Elternteile zusammen) insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 2 Satz 3 BEEG)3. Waren beide Elternteile – wie hier – vor der Geburt erwerbstätig und unterbricht mindestens ein Elternteil nach der Geburt seine Erwerbstätigkeit (oder schränkt sie in relevantem Umfang ein), haben die Eltern demnach insgesamt für die Dauer von vierzehn Lebensmonaten des Kindes Anspruch auf Elterngeld. Diesen Gesamtanspruch können die Eltern im Rahmen der gesetzlichen Regelung untereinander aufteilen. Nach § 4 Abs 2 Satz 4 BEEG können die Eltern dabei die (zwölf oder vierzehn) Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie nach § 5 Abs 1 BEEG grundsätzlich, wer von ihnen welche Monatsbeträge in Anspruch nimmt. Diese Bestimmung ist im Antrag vorzunehmen (§ 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 BEEG).

Nach § 4 Abs 3 Satz 1 BEEG kann ein Elternteil höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG die Lebensmonate des Kindes, in denen ua nach § 3 Abs 1 BEEG anzurechnende Leistungen – wie Mutterschaftsgeld – zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Durch diese gesetzliche Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten werden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich kongruenten anzurechnenden Leistungen, wie das nach § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG anzurechnende Mutterschaftsgeld, kraft Gesetzes zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung hat. Dies ist beim Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 RVO die Mutter. Im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende Lebensmonatsprinzip (§ 4 Abs 2 Satz 1 BEEG) erfasst die Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn – wie hier – nur für den ersten Tag Mutterschaftsgeld zusteht4.

Genauer betrachtet bedarf der Tatbestand des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG der Auslegung5. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut nicht eindeutig, wie der Begriff der „anzurechnenden Leistungen“ zu verstehen ist. Insoweit bestehen drei Auslegungsmöglichkeiten: Diese Vorschrift kann – wie vom Beklagten – weit verstanden werden. Danach soll es für den Eintritt der Fiktion von Bezugsmonaten genügen, dass der berechtigten Person (hier der Mutter) in dem betreffenden Monat ihrer Art nach „anzurechnende Leistungen“ (hier das Mutterschaftsgeld) zustehen, unabhängig davon, ob im konkreten Fall überhaupt ein Elterngeldanspruch bestehen kann, auf den diese Leistungen anrechenbar wären. Die Vorschrift kann aber auch eng dahin ausgelegt werden, dass „anzurechnende Leistungen“ nur dann vorliegen, wenn diese im konkreten Fall im betreffenden Lebensmonat auch tatsächlich angerechnet werden. Weiter ist es möglich, den Begriff „anzurechnende Leistung“ so aufzufassen, dass in dem betreffenden Lebensmonat jedenfalls eine Anrechnung der Leistung auf das Elterngeld rechtlich konkret möglich sein muss, also die Person, der die anzurechnende Leistung zusteht, aufgrund objektiver Gegebenheiten auch zum elterngeldberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG sprechen nach Auffassung des erkennenden Senats für das letztgenannte Begriffsverständnis4.

Der Wortlaut des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG enthält eine Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten („Lebensmonate des Kindes gelten als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht“). Die „berechtigte Person“, der eine „anzurechnende Leistung“ (wie Mutterschaftsgeld) zusteht, wird durch diese Fiktion so behandelt, als ob sie tatsächlich in den betreffenden Monaten Elterngeld bezogen hätte. Rechtsfolge der Fiktion ist es, dass die davon erfassten Lebensmonate auch dann kraft Gesetzes zwingend der Person, der zeitlich kongruent anzurechnende Leistungen zustehen, zugeordnet werden, wenn diese in den Monaten kein Elterngeld beansprucht hat. Dabei kann der Begriff der „berechtigten Person“ in doppelter Richtung verstanden werden. Zum einen muss die Person in den betreffenden Monaten eine Berechtigung zum Bezug der „anzurechnenden Leistung“ (wie des Mutterschaftsgeldes) haben. Zum anderen muss es dieser Person zumindest rechtlich möglich sein, in dieser Zeit Elterngeld zu beziehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie in diesen Lebensmonaten aufgrund objektiver Gegebenheiten überhaupt nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört. Eine solche fehlende Anspruchsvoraussetzung wird nach dem Wortlaut des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nicht fingiert.

Auch die Gesetzesmaterialien sprechen dafür, dass von der Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nur Bezugsmonate erfasst werden, in denen ein Bezug von Elterngeld rechtlich möglich ist. Die Begründung zu § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG geht lediglich von einer Anrechnung dieser Zeiten auf den Bezugszeitraum des Elterngeldes aus, mit der Folge, dass die betreffenden Monate „als verbraucht gelten“. Wörtlich heißt es dort6: „Satz 2 stellt klar, dass Lebensmonate des Kindes, für die Mutterschaftsleistungen nach § 3 Abs. 1 oder dem Elterngeld vergleichbare Leistungen nach § 3 Abs. 3 bezogen werden, auch auf den Bezugszeitraum des Elterngeldes anzurechnen sind; die betreffenden Monate gelten als von der für die betreffende Leistung anspruchsberechtigten Person verbraucht.“

Systematische Stellung und Sinn und Zweck der in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG geregelten Fiktion von Bezugsmonaten bestätigen ebenfalls die vom Senat vorgenommene Auslegung: § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG ergänzt die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3 BEEG. Durch eine zwingende gesetzliche Zuordnung von Bezugsmonaten, in denen nach diesen Vorschriften anzurechnende Leistungen zustehen, werden die sich aus § 5 Abs 1 und 2 BEEG ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern (Bestimmung des anspruchsberechtigten Elternteils) eingeschränkt7. Diese Vorschrift stellt damit sicher, dass die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3 BEEG nicht durch eine entsprechende Gestaltung der Bezugsberechtigung von den Eltern umgangen werden. Sie dient – wie die Anrechnungsregelungen – dazu, zweckidentische Doppelleistungen für zeitlich kongruente Bezugszeiträume zu vermeiden8. Mit der Anrechnung verdrängt das vorrangige Mutterschaftsgeld das Elterngeld, soweit es für denselben Bezugszeitraum zu erbringen wäre.

In der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs 1 BEEG heißt es dazu9: „Absatz 1 betrifft das Verhältnis von Elterngeld und Mutterschaftsleistungen Diese Leistungen und das Elterngeld dienen insoweit dem gleichen Zweck, als sie für den gleichen Leistungszeitraum aus demselben Anlass, nämlich der Geburt des Kindes, dieselben Einkommenseinbußen ganz oder teilweise ersetzen oder ausgleichen. Sie können deshalb nicht nebeneinander gewährt werden. Der Zweck des Elterngeldes, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sie nach einer Geburt die Betreuung ihres Kindes übernehmen, ist im Falle gezahlter Mutterschaftsleistungen bereits erfüllt. Die in den Sätzen 1 und 2 genannten Leistungen sind für den beschränkten Zeitraum und den eingeschränkten Berechtigtenkreis auch wegen des grundsätzlich weitergehenden Umfangs als vorrangige Leistung gegenüber dem Elterngeld anzusehen und deshalb auf das Elterngeld anzurechnen.“

Eine durch die Anrechnung zu vermeidende Gewährung von Doppelleistungen (zB Mutterschaftsgeld und Elterngeld) kann nur insoweit eintreten, als derselben Person für einen zeitlich kongruenten Zeitraum dem Grunde nach sowohl ein Anspruch auf Mutterschaftsleistungen als auch ein Anspruch auf Elterngeld zusteht. Letzterer ist dann nicht gegeben, wenn diese Person in den betreffenden Lebensmonaten aufgrund objektiver Gegebenheiten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört. Insofern geht die Auffassung des Beklagten ohne hinreichenden Grund über das gesetzgeberische Ziel des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG hinaus.

Dem Ziel der Vermeidung von Doppelleistungen wird hingegen diejenige Auslegung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nicht gerecht, die unter anzurechnenden Leistungen nur tatsächlich angerechnete Leistungen versteht. Danach könnte eine Fiktion von Bezugsmonaten schon dadurch verhindert werden, dass für eine Zeit des (nachgeburtlichen) Bezuges von Mutterschaftsgeld nicht die Mutter, sondern der Vater Elterngeld beansprucht. Zwar ließe sich eine solche Umgehung der Regelung des § 3 Abs 1 BEEG dadurch vermeiden, dass eine Anrechnung des Mutterschaftsgeldes nicht allein bei der Mutter, sondern bei dem jeweiligen Elterngeld beziehenden Elternteil vorgesehen würde. Eine derartige Erstreckung der Anrechnungsmöglichkeit auch auf den Vater lässt der Wortlaut des § 3 Abs 1 Satz 1 BEEG jedoch nicht zu. Danach wird Mutterschaftsgeld, das der Mutter zusteht, auf das „ihr zustehende Elterngeld“ angerechnet. Eine durch Rechtsfortbildung ausfüllbare Regelungslücke ist insoweit nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Bestimmungsmöglichkeiten nach § 5 BEEG hätte der Gesetzgeber bei einem engen Verständnis des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG sicher für eine Erweiterung der Anrechnungsregelung gesorgt. Er hat demgegenüber bei § 3 Abs 1 BEEG sachgerecht auf die Zweckidentität beider Leistungen (Mutterschaftsgeld und Elterngeld) für die Mutter abgestellt10.

Entgegen der Ansicht des Klägers erfasst die in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG angeordnete Fiktion jeweils ganze Lebensmonate des Kindes. Der erkennende Senat vermag insoweit der Auffassung des Hessischen LSG11, auf die sich der Kläger beruft, nicht zu folgen12. Danach sei zur Vermeidung von für die Betroffenen unbefriedigenden Ergebnissen § 3 Abs 1 Satz 4 BEEG auf die in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG geregelte Fiktion von Bezugsmonaten entsprechend anzuwenden. Demzufolge würde sich die Fiktion anteilig nur auf die Tage eines Lebensmonats auswirken, für die Mutterschaftsgeld zusteht. Die restlichen Tage stünden für einen Leistungsbezug des Vaters zur Verfügung. Anders als das Hessische LSG sieht der Senat keine Möglichkeit oder Veranlassung zu einer derartigen Rechtsfortbildung. Denn es fehlt hier an einer planwidrigen Regelungslücke (im Sinne einer Unvollständigkeit des Gesetzes), die nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch eine analoge Anwendung einer anderen Rechtsnorm zu schließen wäre13.

Wie der Senat schon entschieden hat14, ist § 4 Abs 2 Satz 1 BEEG dahin zu verstehen, dass er im Grundsatz das Lebensmonatsprinzip bei der Gewährung von Elterngeld festlegt; dieses ist, wie sich aus § 4 Abs 2 Satz 2 und 3, Abs 3 Satz 1 und 2 BEEG ergibt, insbesondere für die Anspruchsdauer maßgebend (zwölf bzw vierzehn Lebensmonatsbeträge). Eine Durchbrechung dieses Prinzips sieht § 3 Abs 1 Satz 4 BEEG vor, der für die Anrechnung von Mutterschaftsgeld auf das Elterngeld eine taggenaue Quotelungsregelung enthält, wenn die anzurechnende Leistung nur für einen Teil des Lebensmonats zu erbringen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die (vorrangigen) anzurechnenden Leistungen nur in diesem (zeitlichen) Umfang das Elterngeld verdrängen10. Die taggenaue Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf das der Mutter zustehende Elterngeld schließt jedoch die Fiktion von Bezugsmonaten nach dem Lebensmonatsprinzip gemäß § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nicht aus15.

Dass von der zwingenden Zuordnungsregelung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG nur (ganze) Bezugsmonate erfasst werden, hat der Gesetzgeber ausdrücklich gewollt; in den Gesetzesmaterialien wird unter Hinweis auf die Anrechnungsregelungen in § 3 Abs 1 und 3 BEEG ausgeführt: “ die betreffenden Monate gelten als von der für die betreffende Leistung anspruchsberechtigten Person verbraucht“16. Gerade die Regelung über die taggenaue Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf das Elterngeld zeigt, dass der Gesetzgeber damit gerechnet hat, dass der Mutterschaftsgeldbezug typischerweise nicht genau mit einem Lebensmonat des Kindes endet. Dementsprechend hätte er im Rahmen des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG eine taggenaue Fiktion vorsehen können, wenn er eine solche Regelung gewollt hätte. Aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszusammenhang des BEEG lässt sich demnach keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes entnehmen17.

Die von ihm vertretene, sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck ergebende Auslegung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG verstößt nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieser hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im Abschnitt 1 des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs 2 Satz 2, § 68 Nr 15a SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten18.

Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat19. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will20. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen21. Der normative Gehalt des Gleichheitssatzes erfährt insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs22. Das Bundesverfassungsgericht legt je nach dem Regelungsgegenstand und Differenzie-rungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an23. So muss der Gesetzgeber im Bereich staatlicher Maßnahmen, welche die Familie betreffen, den Schutz beachten, den er dieser nach Art 6 Abs 1 GG schuldet24.

Art 6 Abs 1 GG garantiert als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen sowie insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Elternteilen in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll25. Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohl getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art 6 Abs 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise bzw zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden26. Auch in diesem Zusammenhang ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit sowohl für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen27 als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung28 ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt29.

Legt man diesen speziell auf Art 6 Abs 1 GG bezogenen Prüfungsmaßstab zugrunde, so begegnet die Regelung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit danach ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld an mindestens einem Tag des Lebensmonats ausreicht, der Mutter zwingend diesen Lebensmonat als Bezugsmonat des Elterngeldes zuzuordnen, sofern sie in diesem Lebensmonat zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört. Dadurch wird die Entscheidungsfreiheit von Eltern hinsichtlich der innerfamiliären Aufgabenverteilung nicht in verfassungswidriger Weise berührt. Die damit verbundene Beschränkung des sich aus § 5 Abs 1 BEEG ergebenden Bestimmungsrechts der Eltern, wer von ihnen welche der zwölf bzw vierzehn Bezugsmonate („Monatsbeträge“) in Anspruch nimmt, ist nicht so intensiv, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die den Eltern vorbehaltene Entscheidung hat, teilweise bzw zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung des Kindes zu verzichten. Finanzielle Anreize, wie die staatliche Förderung in Form des Elterngeldes, können die Entscheidung, wie Eltern ihre grundrechtlich verankerte Erziehungsverantwortung wahrnehmen, zwar beeinflussen. Dadurch, dass der Lebensmonat, in dem anzurechnende Leistungen zustehen, kraft Gesetzes zwingend der insoweit anspruchsberechtigten Person zugeordnet wird, übt der Gesetzgeber jedoch weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Zwang auf die Eltern aus, an Stelle der persönlichen Betreuung des Kindes wieder eine elterngeldschädliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Solange der Mutter in diesem (dritten) Lebensmonat Mutterschaftsgeld zusteht, unterliegt sie einem Beschäftigungsverbot. Für den Rest dieses Lebensmonats kann sie die anteilige taggenaue Zahlung von Elterngeld verlangen (§ 3 Abs 1 Satz 4 BEEG) und zudem eine elterngeldunschädliche Erwerbstätigkeit mit bis zu 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats ausüben (§ 1 Abs 6 BEEG). Eine Fiktion von Bezugsmonaten nach § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG kommt erst in Betracht, wenn die Eltern – aus welchen Gründen auch immer – aufgrund ihrer freien Willensentscheidung im Antrag nicht die Mutter, sondern nur den Vater zum Bezugsberechtigten für den Lebensmonat mit anzurechnendem Mutterschaftsgeld bestimmen (§ 5 Abs 1, § 7 Abs 2 BEEG). Da diese Fiktion nicht greift, wenn die Mutter in dem betreffenden Lebensmonat wegen einer nach Beendigung der Mutterschutzzeit aufgenommenen, umfangreicheren Erwerbstätigkeit nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört, wirkt sie sich im Ergebnis nur auf die Höhe des – von den Eltern zusammengenommenen – erzielbaren Elterngeldes aus.

§ 4 Abs 3 Satz 2 BEEG in der vom erkennenden Senat vorgenommenen Auslegung verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG in seiner allgemeinen Ausprägung. Eltern, bei denen die Mutter auch im dritten Lebensmonat des Kindes Mutterschaftsgeld bezogen hat, werden gegenüber Eltern, bei denen der Mutter nur in den ersten beiden Lebensmonaten des Kindes Mutterschaftsgeld zusteht, hinsichtlich der Höhe des insgesamt zustehenden Elterngeldes jedenfalls dann ungleich behandelt, wenn die Fiktion des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG eingreift. Dieser Unterschied ist jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt. Er beruht darauf, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG durch eine Fiktion Lebensmonate mit nach § 3 Abs 1 oder 3 BEEG anzurechnenden Leistungen zwingend der Person zuordnet, die Anspruch auf diese Leistungen hat. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anrechnungsregelungen des § 3 Abs 1 und 3 BEEG von den Eltern nicht durch entsprechende Bestimmung des Anspruchsberechtigten umgangen werden. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Ungleichbehandlung der vorgenannten Vergleichsgruppen geeignet, erforderlich und angemessen. Insbesondere ist es im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Familienförderung unter dem Gesichtspunkt einer schonenderen Regelung von Verfassungs wegen nicht geboten, dass der Gesetzgeber die vom Kläger bevorzugte Lösung schafft, das Mutterschaftsgeld auf seinen Anspruch auf Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes anzurechnen. Eine solche Regelung würde dem Zweck der Anrechnung, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, widersprechen30.

Für die Anwendung der danach von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden Regelung des § 4 Abs 3 Satz 2 BEEG (in der vom Bundessozialgericht vertretenen Auslegung) auf den vorliegenden Fall fehlen weitere Tatsachenfeststellungen des LSG. Denn es ist nicht hinreichend geklärt, ob die Ehefrau des Klägers im dritten Lebensmonat des Kindes, um dessen fiktive Zuordnung es hier geht, nach den objektiven Gegebenheiten noch zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehört hat. Im Tatbestand des Berufungsurteils wird lediglich angegeben, die Ehefrau des Klägers habe mitgeteilt, dass sie ab 2.05.2008 eine Teilzeitbeschäftigung mit 24 Wochenstunden ausüben werde. Auf dieser Grundlage ist ihr zunächst auch für den dritten Lebensmonat des Kindes Elterngeld bewilligt worden. Eigene Feststellungen dazu hat das LSG – entsprechend seiner materiellen Rechtsauffassung – unterlassen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 4. September 2013 – B 10 EG 4/12 R

  1. BGBl I 2748[]
  2. hierzu BSG Teilurteil vom 30.09.2010 – B 10 EG 9/09 R, RdNr 38[]
  3. dazu BT-Drucks 16/1889 S 23 zu § 4 Abs 2[]
  4. so auch BSG, Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 11/10 R[][]
  5. s dazu auch BSG, Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 11/10 R[]
  6. vgl BT-Drucks 16/1889 S 23[]
  7. dazu Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 273 ff; Becker in Buchner/Becker, MuSchG – BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 22, § 5 BEEG RdNr 4[]
  8. zum Zweck der Anrechnung des Erziehungsgeldes auf das Mutterschaftsgeld: BSGE 69, 95, 98 ff = SozR 3-7833 § 7 Nr 1 S 4 ff; zur Anrechnung nach § 3 BEEG: Becker in Buchner/Becker, MuSchG – BEEG, 8. Aufl 2008, § 3 BEEG RdNr 3, 20 ff; Hambüchen in Hambüchen, BEEG – EStG – BKGG, Stand Dezember 2009, § 3 BEEG RdNr 4, 13[]
  9. vgl BT-Drucks 16/1889 S 22[]
  10. vgl BT-Drucks 16/1889 S 22 zu § 3 Abs 1[][]
  11. Hess. LSG, Urteil vom 22.06.2010 – L 6 EG 2/08[]
  12. s auch BSG, Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 11/10 R[]
  13. hierzu etwa BSG SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 21 ua unter Hinweis auf BVerfGE 82, 6, 11 ff; 82, 286, 304 f[]
  14. BSG, Teilurteil vom 30.09.2010 – B 10 EG 9/09 R, RdNr 38[]
  15. so auch Becker in Buchner/Becker, MuSchG – BEEG, 8. Aufl 2008, § 3 BEEG RdNr 8[]
  16. vgl BT-Drucks 16/1889 S 23 zu § 4 Abs 3[]
  17. vgl zur Feststellung von Gesetzeslücken: Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 191 ff; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 31 ff; Canaris in Koziol/Rummel, Im Dienste der Gerechtigkeit – Festschrift für Franz Bydlinski, 2002, S 82 ff; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 10. Aufl 2005, S 177 ff[]
  18. stRspr des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl etwa BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f[]
  19. BVerfGE 84, 348, 359 mwN; 110, 412, 436; stRspr[]
  20. BVerfGE 21, 12, 26; 23, 242, 252[]
  21. vgl BVerfGE 17, 319, 330; 53, 313, 329; 67, 70, 85 f; stRspr[]
  22. vgl BVerfGE 75, 108, 157[]
  23. vgl zusammenfassend BVerfGE 88, 87, 96 f; 105, 73, 110 f = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176 S 173[]
  24. vgl BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55[]
  25. vgl BVerfGE 99, 216, 231[]
  26. vgl BVerfGE 99, 216, 234[]
  27. hierzu BVerfGE 99, 165, 178; 106, 166, 175 f[]
  28. hierzu BVerfGE 87, 1, 35 f; 103, 242, 260[]
  29. zum Ganzen jüngst BVerfG Beschlüsse vom 20.04.2011 – 1 BvR 1811/08 und 1 BvR 1897/08 (zur Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung), RdNr 9 sowie vom 06.06.2011 – 1 BvR 2712/09 und 1 BvR 1396/09 (zur Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs 7 BEEG); dazu auch BSG Urteile vom 17.02.2011 – B 10 EG 17/09 R, RdNr 62, B 10 EG 20/09 R, RdNr 43, B 10 EG 21/09 R, RdNr 42[]
  30. vgl zur Personenidentität: Becker in Buchner/Becker, MuSchG – BEEG, 8. Aufl 2008, § 3 BEEG RdNr 8[]