Der Wille des Klägers und das gegenteilige Handeln seines Prozessbevollmächtigten

Teilanerkenntnis, Erledigungserklärung und Vergleich sind vom Prozessbevollmächtigten auch dann wirksam erklärt worden, wenn der Kläger behauptet, mit den Erklärungen nicht einverstanden gewesen zu sein.

Nach § 101 Abs. 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

Die übereinstimmende Erledigung als prozessbeendender Tatbestand ist auch in der Sozialgerichtsbarkeit anerkannt1. Die übereinstimmende Erledigungserklärung ist danach wie in anderen Gerichtsbarkeiten auch eine Prozesshandlung, die den Rechtsstreit beendet und durch Schriftsatz möglich ist. Da die übereinstimmende Erledigungserklärung Prozesserklärung ist, gilt die Erledigung auch dann als eingetreten, wenn in der Sache selbst materiell keine Erledigung eingetreten sein sollte.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt B, schriftsätzlich abgegebene Erklärung (Teilanerkenntnis und übereinstimmende Erledigungserklärung) ihn nicht binde, da er mit einer solchen Erklärung nicht einverstanden gewesen wäre. Zum einen ist auf die unbeschränkte Prozessvollmacht des Rechtsanwaltes B hinzuweisen, die ausdrücklich die Ermächtigung enthält, den Rechtsstreit – u.a. auch durch Anerkenntnis, Verzicht oder Rücknahme – zu erledigen. Der Kläger muss sich schon deshalb die Erledigungserklärung seines Prozessbevollmächtigten als bindend entgegenhalten lassen. Auf die Frage, inwieweit eine Prozessvollmacht hätte im Hinblick auf ein Anerkenntnis beschränkt werden können, kommt es damit nicht an, da eine solche Beschränkung offensichtlich nicht vorgelegen hat. Ebenso wenig liegt ein Erlöschen der Vollmacht vor, so dass die Regelung des § 169 BGB schon deshalb keine Anwendung findet.

Unerheblich bleibt auch, ob und ggf. welche Absprachen es zwischen dem Kläger persönlich und seinem damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt B, gegeben haben mag. Die abgegebene Erklärung seines Prozessbevollmächtigten bindet den Kläger wie eine eigene. Ein Beteiligter ist selbst dann an die Erklärung gebunden, wenn der Bevollmächtigte sie weisungswidrig abgegeben haben sollte2. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Weisungswidrigkeit für den Prozessgegner offensichtlich ist3. Dies ist im vorliegend entschiedenen Rechtsstreit schon deshalb nicht der Fall, weil zwischen dem modifizierten Anerkenntnis vom 31.10.2011 und seiner Annahme am 9.11.2011 ausreichend Zeit für Besprechungen zwischen dem Kläger und seinem Bevollmächtigten lag. Ermittlungen zu einer möglichen Weisungswidrigkeit muss die Beklagte nicht anstellen.

Das Teilanerkenntnis der Beklagten ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Allein die Beklagte entscheidet, welchen Teil der geltend gemachten Ansprüche sie aufgrund des Ermittlungsergebnisses im Verfahren anerkennen will. Es obliegt dann allein dem Kläger, darüber zu befinden, ob er dieses Anerkenntnis annimmt oder nicht. Hier hat die Beklagte am 31.10.2011 ein Teilanerkenntnis abgegeben, das ohne Zweifel die Rechtsposition des Klägers zu weiteren Ermittlungen nicht berücksichtigt hat. Dies ist aber auch in keiner Weise notwendig. Denn die Beklagte entscheidet im Rahmen pflichtgemäßen Verwaltungshandelns allein darüber, welche Ansprüche sie für begründet hält und welche nicht.

Weder trifft die Beklagte noch das Gericht eine Pflicht zu ermitteln, welche Kommunikation insoweit zwischen dem Kläger und seinem damaligen Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat. Dies ist für die Wirksamkeit der vom Prozessbevollmächtigten abgegebenen Prozesserklärungen ohne jede Bedeutung. Auch die Beklagte hat nicht nachzuforschen, ob der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sich wohl auch ausreichend ausgetauscht hätten.

Folgte man der Ansicht nicht, dass es sich mit den Schriftsätzen um ein Teilanerkenntnis und eine beiderseitige Erledigungserklärung gehandelt hat, bliebe die Möglichkeit, die Schriftsätze als Vergleich auszulegen, was dem Umstand Rechnung tragen könnte, dass die Beklagte möglicherweise eine Verknüpfung zwischen dem Teilanerkenntnis einerseits und der vollumfänglichen Erledigung des Rechtsstreits andererseits herstellen wollte. Teilte man diese Auslegung, dass die Beklagte das Teilanerkenntnis ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung nicht abgegeben hätte, dürfte es sich beim Schreiben um das Angebot eines Vergleiches handeln. Insoweit hätte für den Kläger dann nicht die Möglichkeit bestanden, das Teilanerkenntnis ohne die Abgabe einer Erledigungserklärung anzunehmen. Folgt man einer solchen Auslegung der Schriftsätze, ergibt sich der Abschluss eines – außergerichtlichen – Vergleichs über die im Verfahren streitigen Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente und die Pflicht, den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt zu erklären. Denn für diesen Fall ergibt sich, dass die Beklagte die im Schriftsatz angebotenen Leistungen nur für den Fall der Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen erbringen wollte. Denn im Schriftsatz ist unter Punkt 5. vom Erfordernis einer Erledigungserklärung des Rechtsstreits im Übrigen die Rede. Darauf hat die Beklagte im Schriftsatz vom 31.10.2011 noch einmal ausdrücklich Bezug genommen. Das insoweit modifizierte Vergleichsangebot, dann fälschlicherweise als Anerkenntnis bezeichnet, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich angenommen4. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das modifizierte (Vergleichs-)Angebot angenommen und den Rechtsstreit folgerichtig auch nicht fortgeführt und auf die vom Landessozialgericht verfügten Erledigungsschriftsätze auch weiter nicht reagiert. Auch dem Schreiben vom 24.10.2011, das letztlich zur Abgabe des modifizierten Angebots der Beklagten geführt hat, war zu entnehmen, dass es bei der Modifizierung um die schnelle Beendigung des Rechtsstreits im Ganzen ging. Jede andere Auslegung wäre hier lebensfremd.

Liegt ein außergerichtlicher Vergleich vor, so erledigt dieser den Rechtsstreit nicht, denn nach § 101 Abs. 1 SGG erledigt nur der zur Niederschrift des Gerichts geschlossene Vergleich den Rechtsstreit. Dies bedeutet aber nicht, dass der außergerichtliche Vergleich mit seinen gegenseitigen Rechten und Pflichten für das gerichtliche Verfahren bedeutungslos bleibt. Vielmehr folgt aus dem außergerichtlichen Vergleich dann die Verpflichtung des Klägers, die Erledigung des Rechtsstreites auch herbeizuführen, wie dies unter Punkt 5. des Schriftsatzes der Beklagten vom 19.09.2011 auch gefordert war. Gibt der Kläger keine Beendigungserklärung ab, so handelt er wider Treu und Glauben, so dass der Fortsetzung des Rechtsstreits eine entsprechende Einrede der Beklagten entgegensteht5. Verpflichtet sich der Kläger im außergerichtlichen Vergleich daher zur Prozessbeendigung, ist die weitere Prozessführung arglistig und führt zur Unzulässigkeit der Klage. So liegt der Fall hier.

Dass die Beklagte die Einrede auch geltend macht, ergibt sich aus ihrer Weigerung den Rechtsstreit fortzusetzen, bzw. die Rechtslage zu überprüfen.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anfechtung der Annahmeerklärung vom 09.11.2011 wegen Willensmängeln ergeben sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Keinesfalls ist der Kläger durch die Beklagte in irgendeiner Weise arglistig getäuscht worden. Diese hat im modifizierten Angebot vom 31.10.2011 deutlich gemacht, dass sie dem Ansinnen des Klägers im Schreiben vom 26.10.2011 nicht folgen wollte. Es hätte dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten dann oblegen, das Angebot nicht anzunehmen. Welche anderen Willensmängel vorgelegen haben sollen, nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers die Modifizierung des Angebots mit Schreiben vom 24.10.2011 noch abgesprochen hat, ist nicht ersichtlich. Eventuelle Kommunikationsstörungen zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten betreffen nicht das Verfahren und den Vergleichsabschluss, sondern den Geschäftsbesorgungsvertrag im Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Anwalt und die daraus eventuell folgende Haftung.

Die Erledigung des Rechtsstreits war damit festzustellen.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Januar 2013 – L 2 U 201/12 WA

  1. vgl. allgemeine Meinung Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 125 Rdnr. 7[]
  2. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73 Rn. 73[]
  3. a.a.O. m.w.N.[]
  4. vgl. zur Abgrenzung zwischen Vergleich und Anerkenntnis: Masuch und Blüggel, SGb 2005, Seite 613 f[]
  5. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 101 Rdnr. 18 a[]