Mehrbedarf wegen Corona-Bevorratung
Die von dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfohlene (Not-)Bevorratung für 10 bis 14 Tage in Zeiten der Corona-Pandemie führt nicht zu einem unausweichlichen bzw. unabweisbaren Bedarf im Sinne der §§ 27a Abs. 4 SGB XII i.V.m. 42 Nr. 1 SGB XII, 37 Abs. 1 SGB XII.
Zu dieser Entscheidung ist das Hessische Landessozialgericht in dem hier vorliegenden Fall eines schwerbehinderten Sozialhilfeempfängers gelangt und hat die Beschwerde gegen die Verweigerung eines Mehrbedarfs zurückgewiesen. Gleichzeitig ist die Entscheidung des Sozialgerichts Kassel1 bestätigt worden. Eine sofortige Pandemie-Beihilfe in Höhe von 1.000 Euro sowie eine Erhöhung der Regelleistung um monatlich 100 Euro beantragte der aus dem Werra-Meißner-Kreis stammende Antragsteller Ende März 2020. Er könne wegen seiner chronischen Erkrankung und der Gehbehinderung nicht einkaufen gehen und sei auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Sein Vorrat reiche nur für 4 Wochen. Aufgrund der Corona-Pandemie sei absehbar, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln auch in Deutschland bald zusammenbrechen werde. Die offiziell empfohlene Bevorratung sei ihm aufgrund seiner finanziellen Lage nicht möglich.
Nachdem der Werra-Meißner-Kreis den Antrag auf Mehrleistungen abgelehnt hatte, beantragte der Sozialhilfeempfänger den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung. Dieser ist mit Beschluss vom 3. April 2020 durch das Sozialgericht Kassel abgelehnt worden. Dabei bezieht es sich auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Stuttgart2, des Sozialgerichts Konstanz3 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg4. Es würden keine echten Lieferengpässe existieren, argumentiert das Sozialgericht Kassel. Gegen diese Entscheidung des Sozialgerichts Kassel hat sich der Antragsteller mit der Beschwerde gewehrt.
Die Zurückweisung der Beschwerde begründet das Hessische Landessozialgericht damit, dass ein akuter Mehrbedarf nicht vorliege. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfehle zur Vorsorge für Notsituationen lediglich eine Bevorratung für 10 bis 14 Tage. Von einer Bevorratung größerer Mengen werde hingegen ausdrücklich abgeraten. Eine Gefährdung der Lebensmittelversorgung sei aufgrund der aktuellen Ereignisse auch nicht zu erwarten.
Zwar könne es bei der Zustellung einzelner Produkte zu einer Verzögerung um wenige Tage kommen. Konkrete Hinweise auf schwerwiegende Störungen der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln – auch im Rahmen von online-Lieferdiensten – bestünden derzeit jedoch nicht.
Nach Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts sei zudem nicht erkennbar, dass der Sozialhilfeempfänger die Kosten für die empfohlene Bevorratung aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erbringen könne. Schließlich habe er sich bereits für die Dauer von 4 Wochen Vorräte angelegt. Ergänzend verwies das Landessozialgericht darauf, dass aufgrund der Corona-Pandemie einige im Regelbedarf enthaltene Kosten – z.B. für Freizeit, Unterhaltung, Kultur, für Verkehr und für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen – derzeit nicht oder lediglich eingeschränkt anfielen.
Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. April 2020 – L 4 SO 92/20 B ER




