Verschuldenskosten im sozialgerichtlichen Verfahren – und die Belehrungspflicht des Gerichts
Die Entscheidung über die Auferlegung von Verschuldenskosten ist ermessensfehlerhaft, wenn dem betroffenen Beteiligten eine mündliche Belehrung des Gerichts mangels Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung nicht zur Kenntnis gelangt. Die Belehrung in mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des Klägers ersetzt die zwischenzeitlich auch mögliche schriftliche Belehrung nicht.
Nach § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Die Entscheidung des Gerichts steht zwar in dessen Ermessen. Die Ausübung des Entschließungsermessens in Bezug auf die Auferlegung von Verschuldenskosten setzt jedoch neben der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung tatbestandlich voraus, dass der missbräuchlich handelnde Beteiligte durch den Vorsitzenden auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen worden ist. Mangelt es hieran, reduziert sich das Entschließungsermessen des Gerichts, soweit es die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten betrifft, auf Null.
Seit der Änderung des § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG aufgrund des SGGArbGGÄndG1 durch die Streichung der Worte „in einem Termin“ genügt nun auch die schriftliche Belehrung über die Missbräuchlichkeit und zu erwartende Kostenauferlegung für den Fall der Fortführung des Rechtsstreits. Aus dieser Gesetzesänderung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die schriftliche Belehrung durch eine mündliche in der Verhandlung in Abwesenheit des betroffenen Beteiligten ersetzt werden kann. Dies würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwiderlaufen. Das Erfordernis der ausschließlichen Belehrung im Termin ist ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf des SGGArbGGÄndG abgeschafft worden, um einen zusätzlichen Aufwand in den Verfahren, in denen ansonsten auch ohne den Termin eine Entscheidung möglich wäre, zu vermeiden. Als Beispiel wird dort das Eilverfahren benannt, in dem ansonsten die Verhängung von Verschuldenskosten praktisch ausgeschlossen sei2.
Dass an der Belehrung, die den Betroffenen auch tatsächlich erreichen soll, festgehalten werden sollte, folgt eindeutig aus der weiteren Begründung, in dem es in dem Gesetzentwurf heißt, die entsprechende Darlegung solle künftig auch in einer gerichtlichen Verfügung möglich sein. Nur wenn der Beteiligte jedoch tatsächlich Kenntnis von der Möglichkeit erhält, dass ihm Verschuldenskosten auferlegt werden könnten, hat er die Chance zu entscheiden, ob er dies auf sich nehmen will oder den Rechtsstreit nicht fortführt. § 192 SGG ist keine Strafvorschrift, sondern eine Schadensersatzregelung3.
Dass sich der Beteiligte in einem an sich kostenfreien Gerichtsverfahren ausnahmsweise „schadensersatzpflichtig“ machen könnte, weil er den Prozess „mutwillig“ fortführt und damit in dem ansonsten für ihn kostenfreien Verfahren doch Kosten auferlegt bekommen könnte, muss ihm vor Augen geführt werden. Dazu genügt nicht die Ladung zur mündlichen Verhandlung, soweit sie nicht mit einer entsprechenden Belehrung verbunden ist4. Insoweit überzeugt es nicht, wenn das LSG meint, auch bei einer schriftlichen Belehrung sei nicht sichergestellt, dass der Betroffene diese zur Kenntnis nehme. Die schriftliche Belehrung – so sie denn den Beteiligten erreicht – ist alsdann in seinem Herrschaftsbereich und es wird ihm die Möglichkeit einer Reaktion, insbesondere der Rücknahme des Rechtsmittels, eröffnet, um der Schadensersatzforderung zu entgehen. Bei einer Belehrung in Abwesenheit des Beteiligten mangelt es bereits an dieser Möglichkeit.
Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 17/13 R