Krankengeld aufgrund nachgehenden Versicherungsschutzes

Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krg vorliegt1. An die Stelle des Versicherungsverhältnisses tritt beim nachgehenden Anspruch die hieraus erwachsende Berechtigung.

Nach § 19 Abs 2 S 1 SGB V besteht, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Nach der Rechtsprechung des erkennendas Bundessozialgerichts setzt ein solcher nachgehender Anspruch voraus, dass kein anderweitiger aktueller Krankenversicherungsschutz besteht2. Denn der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz ist gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis grundsätzlich nachrangig, auch wenn das im Wortlaut des § 19 Abs 2 SGB V unmittelbar nicht zum Ausdruck kommt3. Gleiches gilt im Prinzip auch gegenüber der speziell geregelten Konkurrenz mit der Auffangversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 13 und Abs 8a SGB V sowie hierzu BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 30 ff).

In dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall stand der Kläger in der streitgegenständlichen Zeit in keinem aktuellen Versicherungsverhältnis. Denn es bestand keine den Krg-Anspruch vermittelnde Mitgliedschaft des Klägers aus der Beschäftigtenversicherung. Eine Mitgliedschaft bestand auch nicht wegen eines Anspruchs auf Krg nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fort. Der Kläger unterlag auch weder der Versicherungspflicht der Krankenversicherung der Arbeitslosen – KVdA – noch der Auffangversicherung. Auch die weiteren Voraussetzungen des Krg-Anspruchs waren erfüllt.

Der Kläger war im betroffenen Zeitraum nicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V versichert. Nach den unangegriffenen, den erkennendas Bundessozialgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lagen für den Kläger zwar für die Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses bis zum 31.03.2008 die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V vor. Die Mitgliedschaft endete jedoch mit dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses am 31.03.2008 (§ 190 Abs 2 SGB V). Die gewährte Urlaubsabgeltung verlängerte das Beschäftigungsverhältnis und damit die Pflichtmitgliedschaft nicht. § 190 Abs 2 SGB V ist zu entnehmen, dass Voraussetzung für den Fortbestand des Versicherungsverhältnisses ua eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ist. Die Urlaubsabgeltung stellt kein Arbeitsentgelt dar4. Dass eine Urlaubsabgeltung ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht fortbestehen lässt, ergibt sich im Übrigen auch aus § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V. Danach sind ua versicherungspflichtig die Personen in der Zeit, für die sie Alg oder Unterhaltsgeld (Uhg) nach dem SGB III nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch ab Beginn des zweiten Monats wegen einer Urlaubsabgeltung ruht. Die Einbeziehung der Urlaubsabgeltung wäre nicht erforderlich, wenn sie für die Dauer, für die sie erbracht wird, ohnehin zur Aufrechterhaltung der Beschäftigtenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V führte.

Die Mitgliedschaft aus der Beschäftigtenversicherung bestand auch nicht wegen eines Anspruchs auf Krg nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fort. Die Mitgliedschaft bleibt danach ua erhalten, solange Anspruch auf Krg besteht5. § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krg-Anspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, ist aber zugleich auch erforderlich, dass Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krg – hier also am letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses – alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Ablauf dieses Tages – und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages – einen Krg-Anspruch entstehen zu lassen. Das folgt aus Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck, ohne dass der Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegensteht6. Die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung für einen Krg-Anspruch erfolgte aber erst nach dem 31.03.2008, am 3.04.2008.

Der Kläger unterlag auch nicht ab dem Tag nach ärztlicher Feststellung der AU am 3.04.2008 der Versicherungspflicht in der KVdA nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V (hier anzuwenden in der ab 1.01.2008 geltenden Fassung durch Art 9 Abs 21 Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007, BGBl I 2631). Danach sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie Alg oder Uhg nach dem SGB III beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch ab Beginn des zweiten Monats bis zur zwölften Woche einer Sperrzeit oder ab Beginn des zweiten Monats wegen einer Urlaubsabgeltung ruht. Daran fehlte es.

Der Kläger bezog im April 2008 kein Alg oder Uhg nach dem SGB III. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V stellt bei der ersten Alternative allein auf den tatsächlichen Bezug von Alg oder Uhg ab, ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen für den Leistungsbezug vorliegen7. An dem für den Beginn der Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V erforderlichen Bezug von Alg fehlt es. Das bloße Bestehen eines Alg-Anspruchs ist für die Versicherungspflicht in der KVdA nicht ausreichend8. Das Bundessozialgericht kann deshalb offen lassen, ob die Ablehnung des Alg-Anspruchs zu Recht oder Unrecht erfolgte. Ein Alg-Anspruch kam in Betracht, wenn sich der Kläger mit einem etwa verbliebenen Restleistungsvermögen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellte9.

Ein Anspruch des Klägers auf Alg ruhte im zweiten Monat auch nicht nach § 143 Abs 2 SGB III wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 5 Abs 1 Nr 2 Fall 2 SGB V). Die Regelung ist weder unmittelbar noch sinngemäß anzuwenden. Ein vollständig in den ersten Monat fallender Ruhenszeitraum – wie vorliegend – erfüllt den Tatbestand schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht. Der Alg-Anspruch des Klägers ruhte lediglich vom 01. bis allenfalls zum 7.04.2008. Ob der Anspruch nur bis zum Eintritt der AU ruhte, weil der Kläger in der Folgezeit mangels Verfügbarkeit keinen Anspruch mehr hatte, der hätte ruhen können, bedarf keiner Entscheidung. Denn spätestens ab 8.04.2008 zahlte die AA allein deshalb kein Alg, weil der Kläger aufgrund seiner AU den Vermittlungsbemühungen der AA nicht zur Verfügung gestanden haben soll (§ 119 Abs 1 Nr 3 SGB III in der ab 1.01.2005 geltenden Fassung durch Art 1 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848). Das Fehlen eines Anspruchs auf Alg im zweiten Monat ist in einem solchen Fall allenfalls mittelbar auf das Ruhen wegen Urlaubsabgeltung zurückzuführen. Der Anspruchsausschluss basierte nämlich ausschließlich auf dem Umstand, dass der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig war und vor Beginn der AU kein Alg bezogen hatte, sodass eine Leistungsfortzahlung nach § 126 Abs 1 S 1 SGB III10 nicht in Betracht kam.

Eine solche mittelbare Auswirkung des Ruhens des Alg-Anspruchs auf den Nichtbezug von Alg im zweiten Monat erfüllt jedoch nicht den Tatbestand des § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V11. Wortlaut, Historie, Gesetzeszweck und -systematik lassen ein solch weites Verständnis der gesetzlichen Regelung nicht zu. Bereits der Wortlaut der Norm stellt darauf ab, dass der Anspruch auf Alg (auch noch) im zweiten Monat wegen einer Urlaubsabgeltung gemäß § 143 Abs 2 SGB III ruht. Ausreichend ist danach nicht, dass der Anspruch aufgrund eines vorausgegangenen, aber inzwischen beendeten Ruhenszeitraums wegen fehlender Verfügbarkeit nicht besteht.

Auch die historische Entwicklung der Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V nur für Zeiten eines bestehenden, aber ruhenden Alg-Anspruchs entstehen lassen wollte. Schon für die Vorgängerregelung, § 155 Abs 2 S 2 Arbeitsförderungsgesetz, hatte der Gesetzgeber den Versicherungsschutz bei Eintritt einer Sperrzeit ausdrücklich auf den Ruhenszeitraum ab der 5. bis zur 8. Woche selbst beschränkt. In den Gesetzesmaterialien12 heißt es dazu: „Die Verlängerung der Sperrzeiten auf acht Wochen macht es erforderlich, einen Krankenversicherungsschutz für die über die vierte Woche hinausgehende Dauer der Sperrzeit vorzusehen.“ Bei der Überführung dieser Regelung in das SGB V ist die Grundkonzeption der Regelung beibehalten worden13.

Durch die Einführung der Versicherungspflicht im zweiten Monat auch bei einem Ruhen des Alg-Anspruchs wegen Urlaubsabgeltung wollte der Gesetzgeber schließlich eine Gleichstellung der betroffenen Personen mit denjenigen erreichen, deren Alg aufgrund einer Sperrzeit ruht. So heißt es in der Begründung zur Änderung des § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V wörtlich: „Zur Vermeidung sozialpolitisch unbefriedigender Ergebnisse wird künftig sichergestellt, dass das Ruhen einer Leistung nach dem Dritten Buch wegen einer Urlaubsabgeltung – ebenso wie bei einem Ruhen wegen einer Sperrzeit – ab Beginn des zweiten Monats bis zum Ende des Ruhenszeitraums zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung führt.“14. Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich klargestellt, dass die Versicherungspflicht auf Ruhenszeiträume nach Beendigung des nachgehenden Leistungsanspruchs beschränkt ist. Ein weitergehender Regelungswille lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

Zu keinem anderen Ergebnis führt auch eine teleologische Auslegung der Norm. Sinn und Zweck der Regelung ist es, eine Lücke im Versicherungsschutz zu schließen, die sich dadurch ergibt, dass der Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 SGB V lediglich für einen Monat nachwirkt15. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Gesetzgeber sämtliche denkbaren Fallgestaltungen eines Nichtbezuges von Alg, die allenfalls mittelbar auf einem Ruhen des Alg-Anspruchs im ersten Monat zurückzuführen sind, in den Regelungsumfang aufnehmen wollte16. Dies zeigt schon der Umstand, dass der Gesetzgeber auch die Versicherungspflicht bei einem Ruhen des Alg-Anspruchs wegen einer Sperrzeit ausdrücklich nur auf den Zeitraum von Beginn des zweiten Monats bis zum Ablauf von zwölf Wochen erstreckt hat. Gewollt war demnach eine zeitlich eng begrenzte Versicherungspflicht bei Ruhen eines Alg-Anspruchs zur Schließung kurzzeitiger Versicherungslücken. Bei Eintreten mehrerer Sperrzeiten, die zeitlich einander nachfolgen (§ 144 Abs 2 SGB III; ab 1.04.2012 § 159 Abs 2 SGB III), kann es hingegen sogar noch während des sich daraus ergebenden Gesamtruhenszeitraums nach der 12. Woche einer Sperrzeit zu einem Ende der Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V kommen, wenn die Dauer der Sperrzeiten nicht schon das Erlöschen des Anspruchs selbst nach § 147 Abs 2 SGB III (seit 1.04.2012 § 161 Abs 1 Nr 2 SGB III) zur Folge hat und § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V deshalb ohnehin nicht zur Anwendung gelangt. Eine nur durch das (ungewisse) Ende einer AU begrenzte Versicherungspflicht widerspräche dem Zweck der Vorschrift, nur vorübergehende Lücken zu schließen.

Schließlich sprechen auch systematische Erwägungen dafür, eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht über den Ruhenszeitraum hinaus zu begründen. Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht nach dieser Regelung ist ua der Bezug von Alg, ergänzt um die aufgeführten Ruhenszeiträume. In beiden Fällen erfüllt der Berechtigte alle Tatbestandsvoraussetzungen eines Alg-Anspruchs, kann während des Ruhens des Anspruchs diesen aber mangels Auszahlungsanspruchs noch nicht durchsetzen. Angesichts vergleichbarer Sachlage und der in erster Linie nur zeitlichen Verschiebung der Auszahlung des Alg17 ist es zum Schutz Betroffener bei Zahlung einer Urlaubsabgeltung konsequent, vorübergehend eine Versicherungspflicht vorzusehen, sobald der nachgehende Leistungsanspruch „aufgebraucht“ ist. Fehlt es demgegenüber wegen der AU an der Verfügbarkeit des Arbeitslosen, so liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des Alg-Anspruchs nicht vor; es gibt also keinen Anspruch, der ruhen könnte, sodass eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V ausscheidet18.

Eine analoge Anwendung der Norm auf Fallgestaltungen ist ausgeschlossen, in denen die AA einen Alg-Anspruch mangels Vorliegens seiner Tatbestandsvoraussetzungen bindend abgelehnt hat19. Der Gesetzgeber hat die Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V nämlich bewusst in der gesetzlichen Fassung ausgestaltet20. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke. Zudem fehlt es – wie aufgezeigt – an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

Der Kläger unterfiel auch nicht der Auffangversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB V). Nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. § 5 Abs 8a S 4 SGB V regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen der Auffangversicherung und dem nachwirkenden Anspruch (§ 19 Abs 2 S 1 SGB V). Danach gilt der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs 2 SGB V nicht als Absicherung im Krankheitsfallim Sinne des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Damit wird grundsätzlich der Vorrang der Auffangversicherung gegenüber einem nachwirkenden Leistungsanspruch festgelegt21. Der nachwirkende Anspruch kommt gegenüber der Auffangversicherung allerdings dann zum Zug, wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass der betroffene Versicherte spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende seiner bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen wird22. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen bei der Feststellung der Versicherungspflicht23.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Prognose ist zunächst der letzte Tag der Mitgliedschaft aus der Beschäftigtenversicherung. Allerdings ist an einer Prognose, die nach der oben aufgezeigten Konkurrenzregelung zur Anwendung des § 19 Abs 2 SGB V führt, nicht starr festzuhalten, wenn sich im Laufe des Monats nach Beendigung der Mitgliedschaft die tatsächlichen Verhältnissen ändern und nunmehr – im Gegensatz zur bisherigen Prognose – vorausschauend davon auszugehen ist, dass sich an den nachgehenden Leistungsanspruch kein Versicherungspflichtverhältnis nahtlos anschließen wird und deshalb das von § 19 Abs 2 SGB V verfolgte Ziel, kurzfristige Lücken im Versicherungsschutz zu schließen24, nicht (mehr) erreicht werden kann. Die Voraussetzungen für den nachgehenden Leistungsanspruch entfallen ab diesem Zeitpunkt. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs 2 SGB V gilt nach der Konkurrenzregelung des § 5 Abs 8a S 4 SGB V nicht (mehr) als Absicherung im Krankheitsfallim Sinne von § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V, weil (vorausschauend) im Anschluss hieran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht25. Die Versicherungspflicht richtet sich mithin nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V.

Nur ein solches Verständnis führt zu systematisch schlüssigen Ergebnissen. § 19 Abs 2 SGB V ist als Ausnahmeregelung zur Vermeidung sozialer Härten konzipiert. Sie soll – wie zuvor § 214 Abs 1 RVO – verhindern, dass Betroffene bei kurzzeitigen Beschäftigungslücken, zB wegen eines Arbeitsplatzwechsels, vorübergehend keinen Krankenversicherungsschutz haben. Die Schutzbedürftigkeit und damit der gesetzgeberische Grund für die Gewährung eines über das Mitgliedschaftsende hinausreichenden, beitragsfreien Versicherungsschutzes entfällt, wenn es keine Sicherungslücke (mehr) gibt, weil unmittelbar im Anschluss an die bisherige Pflichtmitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs 2 SGB V ein neues Versicherungsverhältnis begründet wird26. Das Bundessozialgericht hat sich mit dieser Rechtsprechung der sog Verdrängungslehre angeschlossen und der sog Überlagerungslehre27 eine Absage erteilt28. Nichts anderes gilt für die Auffangversicherung. Liegen ihre tatbestandlichen Voraussetzungen wegen einer an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse angepassten Prognose erst während des Monatszeitraums vor, hat § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V ebenso wie alle übrigen Pflichtversicherungstatbestände ab diesem Zeitpunkt Vorrang vor dem subsidiären nachwirkenden Anspruch. Auch in einem solchen Fall besteht keine Sicherungslücke mehr, weil ein neues Versicherungsverhältnis besteht.

Diese Auffassung führt nicht dazu, dass Unklarheit über den Versichertenstatus entsteht29. Denn es ist zu keinem Zeitpunkt ungewiss, ob der Versicherte einen nachwirkenden Leistungsanspruch besitzt oder aber pflichtversichert ist. Die Anpassung an die tatsächlichen Gegebenheiten lässt lediglich den nachwirkenden Anspruch nach § 19 Abs 2 SGB V vorzeitig enden.

In Anwendung dieser Grundsätze hatte der Kläger bis 30.04.2008 keinen Versicherungsschutz durch die Auffangversicherung. Am 31.03.2008, dem letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses, war bei prognostischer, objektiver Betrachtung davon auszugehen, dass der Kläger nach Ablauf des Ruhenszeitraums wegen der Urlaubsabgeltung spätestens ab 8.04.2008 Alg beziehen und damit nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungspflichtig sein würde. Dafür, dass der Kläger am 3.04.2008 und über den Ruhenszeitraum hinaus arbeitsunfähig erkranken würde, ergaben sich zum Beurteilungszeitpunkt keinerlei ernsthafte Anhaltspunkte.

Die mit der bescheinigten AU geänderten Umstände führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ließen sie nicht mehr die Prognose zu, dass der Kläger spätestens ab dem 8.04.2008 Alg beziehen und deswegen pflichtversichert sein würde. Die neu zu treffende Prognose rechtfertigte aber nur die Annahme einer AU30 bis 30.04.2008. Die jeweils angegeben Diagnosen begründeten ebenfalls nicht die Annahme, dass AU über den 30.04.2008 hinaus andauern würde.

Der Kläger erfüllte auch die weiteren Voraussetzungen des Krg-Anspruchs. Der Krg-Anspruch entstand am 4.04.2008. Nach den unangegriffenen, den erkennendas Bundessozialgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) stellte die behandelnde Ärztin am 3.04.2008 zutreffend die AU des Klägers bis zum Ablauf des 17.04.2008 fest. Der Kläger ließ auch rechtzeitig vor dem Ende dieses Zeitraums31 die Fortdauer seiner AU bis zum 30.04.2008 ärztlich feststellen (Bescheinigung vom 17.04.2008). Nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krg in solchen Fällen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Der nachwirkende, auf die Dauer eines Monats begrenzte Anspruch endete für den Kläger am 30.04.2008.

Der Kläger hatte dagegen keinen Krg-Anspruch für den 3.04.2008 und für die Zeit vom 01. bis 28.05.2008. Am 3.04.2008 entstand – wie dargelegt – kein Krg-Anspruch. Für die Zeit ab 1.05.2008 war der Kläger lediglich nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V ohne Anspruch auf Krg krankenversichert. Er hatte nämlich keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall und war zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Eine Versicherungspflicht aufgrund der anderen Tatbestände des § 5 Abs 1 SGB V war nicht gegeben.

Bundessozialgericht, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 68/12 R

  1. vgl BSGE 98, 33, SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 10; BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 12; BSG Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 2/07 R , USK 2007-33[]
  2. vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 25[]
  3. stRspr, vgl BSGE 89, 254, 255 f, SozR 3-2500 § 19 Nr 5 mwN; BSG Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 2/07 R , USK 2007-33; aA Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2014, K § 19 RdNr 61, wonach der Vorrang des aktuellen Versicherungsverhältnisses nur bei gleichen oder gleichwertigen Leistungsansprüchen besteht[]
  4. BSGE 56, 208 ff, SozR 2200 § 189 Nr 4; BSG SozR 4-2500 § 49 Nr 4 RdNr 11; BSG SozR 2200 § 189 Nr 5 S 10[]
  5. vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16; Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 454[]
  6. vgl BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 12[]
  7. BSG Urteil vom 22.05.2003 – B 12 KR 20/02 R – USK 2003-9; BSG SozR 4100 § 155 Nr 4 S 2 f und Nr 5 S 7; BSG SozR 4100 § 159 Nr 5 S 10[]
  8. BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 11 mwN[]
  9. zum Maßstab für die Beurteilung der krankheitsbedingten AU: BSGE 96, 182, SozR 4-2500 § 44 Nr 9, RdNr 13 ff; BSGE 94, 247, SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 9; vgl auch Bieback SGb 2005, 591 ff; Hase AuB 2005, 187[]
  10. in der ab 1.01.1998 geltenden Fassung durch Art 1 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.03.1997, BGBl I 594[]
  11. so bereits BSG Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 19/06 R – USK 2007-28; aA LSG NRW Urteil vom 25.09.2008 – L 16 KR 37/08 – und diesem wohl zustimmend Winkler info also 2013, 25, 27[]
  12. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung, BT-Drs. 9/799 S 46 zu Nr 52[]
  13. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung, BR-Drs. 550/96 S 233 zu Art 5 Nr 1[]
  14. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente – Job-AQTIV-Gesetz, BT-Drs. 14/6944 S 52 zu Art 3 Nr 1 Buchst a[]
  15. so bereits BSG Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 19/06 R ; vgl auch die Gesetzesbegründungen BT-Drs. 9/799 S 46 zu Nr 52; BR-Drs. 550/96 S 233 zu Art 5 Nr 1 und BT-Drs. 14/6944 S 52 zu Art 3 Nr 1 Buchst a[]
  16. vgl zum Verbleib einzelner Lücken insbesondere auch in Fallkonstellationen wie der vorliegenden Geiger info also 2008, 58, 59[]
  17. in Sperrzeitfällen tritt daneben noch eine Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 SGB III – seit 1.04.2012 § 148 SGB III – ein[]
  18. im Ergebnis ebenso: Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2014, K § 5 RdNr 192; Felix in jurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 5 RdNr 32.1, Stand 9.08.2013[]
  19. eine Regelungslücke verneinend auch Meyerhoff in jurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 44 RdNr 27.1, Stand 23.05.2013[]
  20. so für die Frage nach dem Geltungsumfang der Norm für freiwillig Versicherte bereits BSG Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 19/06 R []
  21. vgl BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 32[]
  22. vgl BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 30 ff; zustimmend Brandts in Kasseler Komm, SGB V, § 19 RdNr 34a, Stand September 2013; Mack in jurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 19 RdNr 85.1, Stand 22.10.2013, sowie Meyerhoff SGb 2013, 413, 416 und jurisPR-SozR 16/2013 Anm 2; aA Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2014, K § 19 RdNr 22a[]
  23. stRspr, vgl zB BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 33; BSGE 108, 222, SozR 4-2500 § 5 Nr 14, RdNr 30; BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16 f; BSG SozR 3-2500 § 6 Nr 15 S 47[]
  24. so bereits BSGE 89, 254, 255 f, SozR 3-2500 § 19 Nr 5 S 23 f mwN[]
  25. offengelassen insoweit Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 19 SGB V RdNr 17, Stand September 2013 unter Berufung auf LSG für das Saarland Urteil vom 19.10.2011 – L 2 KR 73/10 – einerseits und LSG Nordrhein-Westfalen vom 05.05.2011 – L 5 KR 402/10 – andererseits[]
  26. BSGE 89, 254, 255 f, SozR 3-2500 § 19 Nr 5 S 23 f mwN[]
  27. dieser zustimmend noch Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2014, K § 19 RdNr 61[]
  28. BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 23[]
  29. vgl dazu BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 33[]
  30. zunächst bis 17.04.2008 und sodann im Rahmen einer weiteren Prognose[]
  31. dazu BSGE 95, 219, SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 14; BSGE 94, 247, SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24; BSGE 85, 271, 275 f, SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15[]