Dienstbeschädigungsausgleich – und die Grundrente nach dem BVG

Der Wert des Dienstbeschädigungsausgleichs (DbA) bestimmt sich auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundessozialgerichts geltenden Rechts nach § 2 Abs 1 S 1 des Dienstbeschädigungsausgleichsgesetzes (DbAG) in seiner zum 1.01.1997 in Kraft getretenen Neufassung durch Art 6 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (EntschR/AusglBGGÄndG) vom 19.06.2006. Hiernach wird der DbA in Höhe der Grundrente nach § 31 iVm § 84a S 1 BVG in dessen Neufassung durch Art 1 des Gesetzes vom 19.06.2006 geleistet.

Nicht bereits § 2 DbAG selbst, sondern ausdrücklich erst § 84a BVG, dessen Anwendungsbereich ‑ jedenfalls in der hier maßgeblichen Fassung der Norm ‑ auch Personen erfasst, die ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet beibehalten haben, verweist auf den Einigungsvertrag (EinigVtr). Dieser ordnet in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr 1 Buchst a Abs 1 Satz 1 als Maßgabe für das Inkrafttreten von § 31 Abs 1, 5 BVG im Beitrittsgebiet an, dass die dort in der jeweils geltenden Fassung genannten Deutsche Mark-Beträge mit dem VomhundertSatz zu multiplizieren sind, der sich aus dem jeweiligen Verhältnis der verfügbaren Standardrente (§ 68 Abs 3 SGB VI) in dem in Art 3 des Vertrages genannten Gebiet zur verfügbaren Standardrente in dem Gebiet, in dem das BVG schon vor dem Beitritt gegolten hat, ergibt.

Hinsichtlich des Verständnisses dieser einfachgesetzlichen Vorschriften sieht sich das Bundessozialgericht im Ergebnis mittelbar an die Vorgaben des BVerfG im Beschluss vom 04.06.20121 gebunden. Hiernach ist nunmehr davon auszugehen, dass sich der genannten Normenkette ausgehend vom maßgeblichen Verständnishorizont eines Juristen mit Hilfe herkömmlicher Auslegungsmethoden ausreichende gesetzliche Vorgaben für die Wertbestimmung von Rechten auf DbA entnehmen lassen, die inhaltlich den rechtsstaatlichen Bestimmtheitserfordernissen der Regelungsmaterie genügen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der EinigVtr verweist zur Bestimmung eines Anpassungsfaktors Ost dynamisch auf diejenigen Beträge, die sich auf der Grundlage der jeweiligen Rechtslage im SGB VI jeweils als Verhältnis der verfügbaren Standardrenten in den alten Bundesländern und im Beitrittsgebiet ergeben.

Für den Bezugszeitraum 1.01.1999 bis 31.12.2000 gilt unmittelbar der Klammerhinweis auf § 68 Abs 3 SGB VI (in der ab 1.1997 maßgeblichen Fassung vom 10.05.19952). Hiernach ergibt sich die verfügbare Standardrente, indem die Bruttostandardrente um den durchschnittlichen Beitragsanteil zur Krankenversicherung „im Sinne des § 106 Abs 2 SGB VI“, den Beitragsanteil zur Pflegeversicherung und die ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte durchschnittlich auf sie entfallenden Steuern gemindert wird (S 4).

Die Bruttostandardrente entspricht der Regelaltersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten mit 45 Entgeltpunkten (EP). Da das SGB VI zwischen EP und EP (Ost) unterscheidet (§ 254b SGB VI), sind bei der Berechnung der Bruttostandardrente West EP und bei der Bruttostandardrente Ost EP (Ost) zugrunde zu legen. Von dem sich auf dieser Grundlage ergebenden Betrag ist in Zähler und Nenner des Bruchs gleichermaßen jeweils allein derjenige Beitragsanteil zur Krankenversicherung in Abzug zu bringen, der sich ausgehend von dem jeweils zum Stichtag 1.01.bundeseinheitlich zu ermittelnden durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz aller Krankenkassen auf die Bruttostandardrente für die Zeit vom 01.07.des jeweiligen Kalenderjahres bis zum 30.06.des Folgejahres ergibt3. Dagegen kommt es auf den sonstigen Inhalt von § 106 Abs 2 SGB VI nicht an4. Ebenso ist die abweichende Veröffentlichungspraxis des Bundesministeriums für Gesundheit ohne Bedeutung. Des Weiteren ist in Zähler und Nenner des Bruchs jeweils der Beitrag abzuziehen, der sich für pflichtversicherte Rentner in der sozialen Pflegeversicherung ergibt. Dieses Ergebnis entspricht aus der maßgeblichen Sicht des rechtlich Kundigen der typisierten Versicherungsbiographie des Standardrentners. Schließlich ist die Bruttostandardrente West/Ost um den Betrag der Einkommensteuer zu vermindern, der ggf nach Maßgabe der Vorschriften des EStG ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte auf den bei regulärem Rentenalter maßgeblichen Ertragsanteil entfällt.

Obwohl der Begriff der verfügbaren Standardrente in der Zeit vom 01.01.2001 bis 31.12.2001 weder in § 68 Abs 3 SGB VI noch in einer anderen Vorschrift dieses Gesetzbuchs definiert wird, ist der geschilderte Berechnungsmodus auf der Grundlage einer „bedeutungserhaltenden Auslegung“5 auch insofern fortzuführen.

Ab dem 1.01.2002 findet sich der Begriff der verfügbaren Standardrente ‑ vom EinigVtr weiterhin erfasst und inhaltlich deckungsgleich mit der früheren Definition ‑ in § 154 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VI. Auch dass diese Vorschrift nicht mehr auf § 106 Abs 2 SGB VI verweist, ist in Ermangelung eines erkennbaren gesetzgeberischen Willens, den Begriff der verfügbaren Standardrente zu ändern, ohne Bedeutung.

Für Bezugszeiten ab dem 1.01.2005 definiert § 154 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VI in der ab dann geltenden neuen Fassung die verfügbare Standardrente als Regelaltersrente aus der allgemeinen Rentenversicherung mit 45 EP, gemindert um den durchschnittlichen Beitragsanteil zur Krankenversicherung und den Beitrag zur Pflegeversicherung. Über die nunmehr in Wegfall geratene Relevanz der Steuerlast hinaus ergeben sich inhaltliche Änderungen auch hieraus nicht. Das nunmehrige Abstellen auf den „Beitrag“ zur Pflegeversicherung ‑ statt vorher „Beitragsanteil“ ‑ trägt begrifflich und sachlich der vollen Beitragstragung durch den in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversicherten Rentner seit dem 1.04.2004 Rechnung (§ 59 Abs 1 S 1 SGB XI). Der zum 1.01.2005 in der sozialen Pflegeversicherung eingeführte Beitrag für Kinderlose bleibt insofern unberücksichtigt, weil das Modell des Standardrentners individuelle Gegebenheiten wie die Elterneigenschaft unberücksichtigt lässt. Dagegen ist zu beachten, dass ab dem 1.07.2005 der „durchschnittliche Beitragsanteil zur Krankenversicherung“ auch den zusätzlichen Beitragsanteil in Höhe von 0,9 vom Hundert der Standardrente mit umfasst.

Hiergegen bestehen unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. § 2 Abs 1 S 1 DbAG hat bereits in seiner ursprünglichen Fassung ohne gleichzeitige Bezugnahme auf einen bestimmten Personenkreis auf den (nach dem EinigVtr) für das Beitrittsgebiet geltenden (niedrigeren) Betrag der Grundrente nach dem BVG verwiesen. Es kann daher offen bleiben, ob der ebenfalls durch den EinigVtr eingefügte § 84a BVG in seiner damaligen Fassung auch den Personenkreis der Kläger erfasst hat oder nur für „Umzügler“ und „Zuzügler-Umzügler“ auf die Regelungen des EinigVtr verwiesen hat, die eine „abgesenkte“ Grundrente vorsehen. Dies gilt auch für Zeiten ab dem 1.01.1999, weil das BVerfG ausweislich der Gründe seines Urteils vom 14.03.2000 § 84a BVG nur hinsichtlich einer abgesenkten Grundrente für Kriegsopfer für nichtig erklärt hat. Das ‑ vorliegend anwendbare ‑ neue Recht (§ 2 Abs 1 S 1 DbAG iVm § 84a BVG idF vom 19.06.2006) führt zu keiner inhaltlichen Änderung.

Bundessozialgericht Urteil vom 31. Juli 2013 – B 5 RS 8/12 R

Bundessozialgericht Urteil vom 31. Juli 2013 – B 5 RS 8/12 R

  1. BVerfG, Beschluss vom 04.06.2012 – 2 BvL 9/08 ua[]
  2. BGBl I, 678[]
  3. BVerfG aaO RdNrn 105, 107ff[]
  4. BVerfG aaO RdNr 107[]
  5. BVerfG vom 04.06.2012 RdNr 109[]